Auszüge dieses Texts mit Bildern wurden im der Schweizer Yachtmagazin „marina.ch“ publiziert. >Artikel
Start ins Ungewisse
Am Freitag dem 9. Mai 2022 war es soweit: Die Sarabella war gewassert und überholt, die Segel gewaschen und kontrolliert und wir waren voller Tatendrang für die erste Strecke. Um acht Uhr öffnete die Brücke der Marina von Lagos um unser erstes Tagesziel, die idyllische Lagune von Culatra bei Faro, anzulaufen. Der Wind war wie aus dem Bilderbuch – Kaiserwetter, wie man als Segler sagt – und nach vierzig Seemeilen und acht wunderbaren Segelstunden wollten wir in diesem Inlet ankern. Es war eine Premiere, letzte Saison hatten wir ausschliesslich in Marinas Halt gemacht. Den Geschichten über Angriffe von Orcas schenkten wir zu dieser Zeit noch wenig Aufmerksamkeit, da wir ja so viel wie möglich der Küste entlang segelten.
Gibraltar – das Tor zum Mittelmeer!
Es konnte ja nicht mit so viel Windglück weitergehen, denn schon in Cadiz mussten wir auf Anraten eines älteren holländisches Ehepaars, das offenbar schon um die ganze Welt gesegelt war und in Gibraltar ihre Yacht stationiert hatte, drei Tage auf bessere Windverhältnisse warten, wobei dies kein Unglück war, da Cadiz – die älteste europäische Hafenstadt – eine willkommene Abwechslung war. Es gab viele Highlights: Die Kathedrale von Santa Cruz, das Ratshaus, diverse malerische Plätze oder Gassen. Nach drei Tagen schien uns bei genauem Studium der Windprognosen der Tag gekommen, um Gibraltar, das Tor zum Mittelmeer, in Angriff zu nehmen. Hätten wir gewusst, was uns bevorstand, wären uns vielleicht Zweifel aufgekommen, ob wir das tatsächlich schaffen würden. Schon die erste Etappe bis zum 35 Meilen entfernten Barbate sollte es in sich haben: Während wir anfangs noch mit „gemütlichen“ zwanzig Knoten aufkreuzten, nahm der Wind später stetig zu. Und plötzlich war es mit der Gemütlichkeit an diesem geschichtsträchtigen Capo Trafalgar vorbei: Hohe Wellen schlugen an die Spraywood, die Fock musste zusätzlich gerefft werden und ab und zu schlug die Sarabella mit dem Bug so hart auf den Wellen auf, dass uns Angst und Bange wurde. Nach zwei Stunden war der Spuk vorbei und wir konnten es kaum glauben, dass wir bei Flaute in der Marina von Barbate anlegen konnten.
Werden wir heute für die letzte Etappe nach Gibraltar nochmals das Gleiche erleben? Und wieder einmal lagen diese tollen Prognostiker daneben. Schon nach sieben Meilen war es nur mit Motorunterstützung möglich mit gerefftem Gross und Fock gegenan zu segeln. Entscheidend für uns war das Timing um mit der Tidenströmung durch die Meerenge zu kommen. Die Taktik ging auf: Bei Tidenstillstand und beachtlichen 35 Knoten Wind passierten wir am Freitag 13. Mai (wir sind nicht abergläubisch!) um 13.15 Uhr den Südpunkt von Europa bei Tarifa und tauchten ins Mittelmeer ein. Weshalb wir von einem Boot der spanischen Küstenwache verfolgt wurden, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Nach 46 harten Meilen legten wir in der Alcadeisa Marina von Gibraltar an. Als wir von einem Stegnachbar erfuhren, dass er gestern bei Tarifa von Orcas angegriffen worden war und sein Ruder reparieren lassen musste, wurde uns echt mulmig und wir verstanden nun die Begleitung der Küstenwache.
Auf Balearenkurs
Meilenmüssig betrachtet wäre ein direkter Kurs an die Südspitze von Sardinien mit rund 700 Seemeilen in einer Woche machbar gewesen, aber unsere Überführung stand von Anfang an unter dem Motto «Der Weg ist das Ziel». Als Pensionierte konnten wir uns das leisten und auch unsere Freunde und die Familie waren mehr an Abwechslungen, attraktiven Städten und schönen Ankerbuchten als an reiner Meilenfresserei interessiert. Für die 400 Meilen bis Ibiza hatten wir grosszügig zehn Tage und fünf Hafenstopps vorgesehen. Wie richtig diese Entscheidung war, stellte sich schnell auf Grund der unerwarteten Windbedingungen heraus: Statt Nord- oder Nordwestwind mit raumen Kursen, kreuzten wir tagelang gegen nordöstliche Winde auf. Hinzu kam ein Alarm am Wasserabscheider des Dieselfilters, der zu einer Schreckminute bei der Ausfahrt von Aguilas führte. Wäre der Yanmar fünf Minuten früher ausgestiegen, wären wir wahrscheinlich bei auflandigem Wind gestrandet. Gelobt seien die guten Amwind-Eigenschaften der Hanse unter Fock. Doch es war uns eine Lehre: Wir werden eine umschaltbare Doppelfilteranlage einbauen lassen!
Nach einer anstrengenden Nachtüberfahrt von Cartagena nach Ibiza, waren wir nur schon glücklich, einen Notanlegeplatz in der Marina Santa Eulalia zu kriegen um den drohenden Sturm nicht vor Anker abwettern zu müssen. Die oft aussichtslose Suche nach einem Hafenplatz trübte ein wenig den Nimbus der gelobten Balearen als wunderschönes Segelrevier. Klar sollte man die geschichtsträchtige Hauptstadt von Ibiza mit seinem kosmopolitischen Flair besuchen und klar darf man den Sonnenuntergang beim berühmten «Café del Mar» bei Sant Antoni nicht verpassen, aber das spezielle Ambiente der ehemaligen Hippieinsel ist dem Massentourismus zum Opfer gefallen. Da war das Sunset-Trommelkonzert in der Bucht in der Bucht von Benirrás viel beeindruckender. Auch auf der Insel Mallorca ging uns das Gerangel um Bootsplätze und freie Ankerbuchten auf die Nerven und wir waren froh auf der Insel Cabrera, zehn Meilen vor der mallorquinischen Südküste gelegen, zwei Tage Ruhe und unberührte Natur geniessen zu können. Aber auch hier musste man Tage im Voraus eine Ankerboje via Internet reservieren.
Sardinien – wieso nicht hierbleiben?
Am 20. Juni hatten wir genug gesehen von den Balearen und nahmen die 260 Meilen bis Sardinien unter den Kiel. Diese Überfahrt war ziemlich kräftezehrend, da wir für einmal nur zu zweit an Bord waren. Zum Glück konnten wir dank dem Zweileinen-Reffsystem alle Manöver während der Nacht aus dem Cockpit ausführen, aber mit acht bis zehn Knoten Speed durch die schwarze Nacht zu pflügen, hat schon was Unheimliches an sich. Mit einem Zwischenstopp auf Menorca schafften wir die Strecke dank guten südöstlichen Winden zwischen drei bis fünf Beaufort in 36 Stunden, was einem Schnitt von sieben Knoten entsprach. In der Marina St. Elmo in Alghero wurden wir sehr herzlich empfangen, was uns überraschte, nachdem uns die Spanier eher reserviert und gestresst vorgekommen waren.
Wir planten mit Freunden in einer Woche Nordsardinien zu entdecken, ohne natürlich einen Abstecher nach Bonifacio auszulassen. Das Wetter spielte einmal mehr Roulette mit uns; keine Rede von sommerlichen Thermikwinden und Badewetter. Schon die Durchfahrt durch die Fornelli Passage war bei 25 Knoten mehr als aufregend und Bonifacio war wegen stürmischen Bedingungen so proppenvoll, dass wir mehr als eine Stunde in der engen Felsschlucht mit vielen anderen Booten kreisen mussten, bevor wir endlich einen (reservierten!) Liegeplatz von den umher rasenden Marineros zugewiesen bekamen. Die Warterei hatte sich aber gelohnt. Der Besuch der hoch über dem Hafen gelegenen «Città alta» und die phantastische Aussicht lassern sich kaum in Worte fassen. Genau so fesselnd war die Fahrt durch den Maddalena Archipel, der Halt im quirligen Hauptort Gala Gavetta und das Ankern in einer der über siebzig möglichen Ankerbuchten. Wir entschieden uns für Porto Palma auf Caprera. Nach einer weiteren Segelwoche ab Olbia entlang der Ostküste waren wir so begeistert von diesem Revier, dass wir gleich einen Jahresplatz in dieser kleinen, sympathischen Marina St. Elmo in Alghero für nächste Saison reservierten.
Kalimera Griechenland
Die sizilianische Südküste und den Stiefel segelten wir im Schnellzugstempo ab und hoben uns die schönsten Hafenplätze für nächste Saison auf. Einzig für Sirakusa, dieser einmaligen Stadt mit ihrer kulturellen Vielfalt seines historischen Zentrums, gönnten wir uns einen Hafentag. Nach 550 Meilen mit hohen Sommertemperaturen und wenig Wind legten wir in der Gouvia Marina in Korfu an und flogen dann für einen Monat in die Schweiz zurück um der mörderischen Hitze von über 40 Grad und dem Rummel der vielen Chartersegler aus dem Weg zu gehen.
Den Start für die letzten Meilensteine, dem ionischen Meer und der Ägäis, konnten wir locker angehen, da es ein Heimspiel war. Ein Stressfaktor war lediglich die griechische Bürokratie zur Erlangung des Transitlogs (Segelbewilligung) und der online Regelung der Bootssteuer eTEPAI. Den Meltemi, der dieses Jahr auch im September noch stark war, kannten wir ja und unsere letzten Crews waren begeistert, wie sicher und schnell sich die Hanse steuern liess. Nur während der ersten Woche herrschte Leichtwind, was uns für den Besuch von Paxos, Lefkas und Fiskardo auf Kefallonia sehr gelegen kam. Endlich konnten wir mal sorglos ankern und morgens textilfrei baden; was für eine Wohltat! Aber schon nach Mesolongi schlug das Wetter um. Trizonia verliessen wir gerade noch vor dem nächsten Sturm, in Itea lagen wir einen Tag bei sieben Beaufort eingeweht und die Warterei vor der Einfahrt in den Korinth Kanal war nervig, was allerdings das Erlebnis der Passage wenig trübte. Schockiert waren wir einzig von den Kosten. Mit 430 Euro gehören diese drei Meilen wohl zu den Teuersten der Welt!
Wieder in der Ägäis
Am Sonntag, dem 11. September begann in der Zea Marina in Athen unser Kykladentörn und er schien unter einem guten Stern zu stehen. Der Meltemi hatte sich auf vier bis fünf Beaufort eingependelt und unsere Crew liess es sich nicht nehmen, raumschots die leicht bockige Sarabella auf Kurs zu halten. Aber was wären die Kykladen, wenn nicht auf beinahe jeder Insel noch ein spezielles Landabenteuer warten würde. So konnte man gleich neben dem kleinen Hafen von Loutra auf Kythnos in das heisse Quellenbad liegen, oder in Serifos mit dem Bus zur einmalig schönen Chora hochfahren um die fantastische Aussicht zu geniessen. In Paros sollte man unbedingt einen Hafentag einplanen um mit den nicht ganz ungefährlichen Quad Motorrädern die Insel zu entdecken. Wäre da nicht diese halb verrottete Marina und der unsägliche Schwell der stündlich anlegenden Fähren, müsste man Paros zur Perle der Kykladen erklären.
Aber da gibt es ja noch den Geheimtipp Koufonisia mit den schönsten Stränden und einem so kleinen Hafen, dessen Eingang bei Wind nur von Skippern mit starken Nerven angefahren werden sollte. Wir steuerten aber auch Amorgos an um das einmalige Felsenkloster «Panagia Chozoviotissa» aus dem elften Jahrhundert zu besuchen, obwohl wir wussten, dass hier der Ankersalat quasi garantiert ist und die meist unbedarften Chartersegler die Legerwall Situation bei aufkommendem Meltemi unterschätzten. Für Hafenkino war hier auf jeden Fall gesorgt. Auf Levitha mit seinen 15 Bojenplätzen wurden wir von der Familie des ehemaligen Leuchtturmwärters wie alte Freunde begrüsst, obwohl wir sie vor vier Jahren das letzte Mal besucht hatten. Das Gleiche geschah uns in Patmos, wo wir wie jedes Mal an unseren «Geheimplatz» ganz hinten im Haupthafen Scala fuhren und in der hervorragenden Taverna «Netia» von der Chefin persönlich bedient wurden. A propos Essen: Da uns der Meltemi immer noch mit viel Seegang und Geschaukel Richtung Süden begleitete, waren Lunchpausen nur «on the fly» im wahrsten Sinne des Wortes möglich: Man musste mit der Lifeline eingepickt essen und aufpassen, dass das Sandwich nicht durch die Gegend flog. Da waren wir froh, wenigstens abends festen Boden unter den Füssen zu haben.
Auf Kalymnos, unserem letzten Inselstopp, wo wir immer in der Bucht von Palionissos bei Nomikis Taverne an die Boje gehen, wurden wir sogar von ihrem Mann per Shuttle an Land geführt. Auch hier: Die Begrüssung könnte nicht herzlicher sein und das Essen war wie immer fürstlich! In solchen Dingen sind die Griechen einfach Weltmeister! Weit weniger herzlich war die Antwort für einen Liegeplatz in Kos, der doch fünf Jahre lang unser Heimathafen gewesen war: «Sorry, wir sind voll, weil alle Charterschiffe zurück kommen». So blieb uns nichts anderes übrig, als unseren Törn und damit die Saison in Kalymnos zu beenden. Einige Tage später wurde die Sarabella ausgewassert und ging ins Winterlager in der Schiffswerft von Kos.
Wir hatten in diesen zwei Saisons von Greifswald bis hierher rund 6’500 Meilen gesegelt, 120 Häfen und Marinas besucht und konnten Grundberührungen, Kollisionen oder andere gefährliche Situationen vermeiden. Die Yacht – und die Crews – hatten ihre Feuerprobe bestanden. Wir sind echt stolz!