25. Aug. – 06. Sept. 2024
Der erste Törn nach der Sommerpause führte uns von Alghero der Westküste Sardiniens entlang, um die Südspitze und der Ostküste hoch nach Olbia. Auf dieser Reise begleiteten uns Lilo und Kurt und sie erlebten alle Arten von Wind- und Wetterbedingungen. Aber auch die kulturelle Seite der Insel kam nicht zu kurz.
Auf – In unbekannte Gewässer
Die Anreise mit einem Direktflug von Basel nach Olbia und einer zweistündigen Autofahrt nach Alghero war schon fast Routine. Um vier Uhr nachmittags begrüssten uns Michela, die sympatische Chefin der Marina Sant‘ Elmo und ihr Mann Vittorio sehr herzlich. Wir machten gleich Arbeitsteilung: Regi ging mit dem Velo im Supermarkt von Conad einkaufen und wir spritzten das Schiff ab, das nach fünf Wochen recht salzig war. Die Segel waren ja schon angeschlagen, nur das Beiboot musste noch aufgeblasen werden. Den Sonnenuntergang von Alghero liessen wir uns nicht entgehen und am nächsten Morgen hiess es dann schnell mal. Leinen los!
Bosa – what else!
„You must see Bosa“, meinte Michela und buchte uns gleich einen Platz in der Marina und einem noblen Restaurant. Nun ja, wir wollten dort sowieso unseren ersten Tageshalt machen und mich nahm sowieso Wunder, wie diese Marina, die hauptsächlich eine renommierte Schiffswerft ist, aussieht. Hier war schliesslich letzten Winter unsere Sarabella überholt worden, da in Alghero keine vertrauenswürdige Werft vorhanden ist. Die 17 Meilen waren noch wenig herausfordernd, vor allem weil erst um 15 Uhr die Thermik aufkam und wir nur eine Stunde unter Segel zurücklegen konnten. Herausfordernd – für die Bordkasse – waren allerdings die Preise: der Marinaplatz kostete 180 Euro und das Essen machte nochmals 170 Euronen aus. Dafür war der Rundgang durch Bosa, den wir uns am nächsten Morgen – einem Sonntag – gönnten, sehr stimmungsvoll. Der malerische Ort mit rund 8’000 Einwohnern an der Mündung des Flusses Temo gelegen, glänzt mit der genuesischen Festung hoch über dem Ort und mittelalterlich anmutenden Gässchen und Häusern mit winzigen gusseisernen Balkonen. Optisch sehr attraktiv ist die total unterschiedliche Bemalung der Häuser, was sicherlich darauf hindeutet, dass hier Leute mit sehr viel Sinn für Eigenwilligkeit wohnen.
Inselstopp auf Isola Mal di Ventro
Um 13 Uhr legten wir ab und konnten bei zwölf Knoten rassig Richtung Süden segeln. Nach einem stündigen Flautenloch frischte es wieder auf 17 Knoten auf, so dass wir im Nu mit neun Knoten Speed vor der Insel Mal di Ventro (auf deutsch: schlechter Bauch) an eine der zahlreichen Bojen anzulegen versuchten. Hochheben der Boje ging nicht und mit unserem Freibord von 1.70 m reichten auch Kudis lange Arme nicht, um die Belegleine einzufädeln. Eine Anfahrt rückwärts scheiterte wegen dem Seitenwind ebenfalls, so dass Regi am Schluss kurzerhand ins Wasser sprang und die Leine übergeben wollte. Da die Sarabella aber zu schnell wegdriftete, brach auch noch der Bootshaken und das Manöver musste wiederholt werden. Wahrscheinlich heisst die Insel deshalb Bauchwehinsel! Aber es ist wunderschön friedlich, obwohl es immer noch mit 15 Knoten bläst. Der Wind soll sich nachts legen .
Der Tag, der ganz anders wurde
Diesen Tag hatten wir uns anders vorgestellt. Nach einem gemütlichen Morgenbad bei Flaute, begann nach zwei Stunden Motorfahrt der Nordwestwind und steigerte sich auf anfänglich 13 Knoten. Da es viel unangenehme Welle und Gegenströmung hatte, konnten wir das Grosssegel nicht setzen, da es nur herumschlagen würde. Wir mussten mit dem Reacher vorlieb nehmen und begnügten uns mit fünf Knoten Fahrt. Der Lunch in der ersten Bucht (Porto Palma) fiel wegen dem Seegang aus. Es gab ein paar Brote on the fly. Nach 30 Meilen wollten wir vor dem Örtchen Portixeddu für die Nacht ankern, aber es hatte trotz Felsschutz immer noch zu viel Dünung. Wir entschieden uns weiter zu segeln, was am Schluss die richtige Wahl gewesen war, da der Wind nun kontinierlich zunahm und auf Nord drehte, was noch mehr Seegang zur Folge hatte. Kudi steuerte und musste sich gut festhalten. Der Reacher schlug so schlimm, dass wir ihn einrollten und vor dem Wind motorten. Jetzt standen wir unter Zeitdruck, da die erste Marina (Porto di Scuso) weder auf Telefon noch Email reagierte. Um 19 Uhr meldeten wir uns kurzerhand im Hafen Carloforte an und erhielten glücklicherweise sofort eine Zusage. Mit 25 Knoten liefen wir just bei Sonnenuntergang in die Marina Sifredi ein. Wir waren nach 58 Meilen ziemlich erledigt aber stolz es geschafft zu haben.
Nach der anstrengenden Rodeofahrt von gestern legten wir einen Hafentag ein und machten Sightseeing. Und es lohnte sich sehr: Die Stadt hat eine gute erhaltene 200-jährige Befestigungsmauer und entzückende Gässlein, die nur so strotzen von Autentizität. Touristen sieht man selten und auf dem Hauptplatz unter den riesigen Platanen war an einem normalen Mittwochabend der Bär los: Eine Rockband spielt groovige Musik und die Kinder tollen noch um elf Uhr herum.
Um die Südecke von Sardinien
Wir legten um 09.30 Uhr in der Marina Sifredi ab und motorten erst mal der Küste der Nachbarinsel Isola di San Antioco entlang. Zwischendurch hatte es immer mal wieder ein bisschen Wind, den wir sofort mit Segeln nützten. Erst ab dem Capo Teulada, welches die Südspitze von Sardinien bildet, konnten wir konstant am Wind bei drei Beaufort segeln. Die Gewitterfront vor uns schien an uns vorbei zu ziehen, aber plötzlich frischte der Wind auf sechs Beaufort auf, wir mussten schnell reffen und legten sogar die Schwimmwesten an. Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und wir gingen nach dem Kap Malfatano in der Bucht Tuarredda vor Anker. Gemäss Wetterradar sollten wir vor weiteren Gewittern verschont bleiben. Regi und Lilo kochten heute ein Gemüse-Potpouri an Bord.
Cagliari – Die Hauptstadt des Südens
Wir verbrachten eine total ruhige Nacht vor Anker in der Bucht von Tuarredda und begannen den Tag mit einem ausgiebigen Morgenbad. Die Windprognose bis Cagliari war nicht gerade ermutigend: sechs bis zehn Knoten SO-Wind. Aber wir legten bei 15 Knoten ab und profitierten eine halbe Stunde vom Kap-Windeffekt, das heisst der Wind drehte schneller um Kaps herum. Und von denen gab es zwei, aber nachher schlief der Wind tatsächlich ein und wir mussten wieder motoren. Erst als wir langsam in den grossen Golf von Cagliari eintauchten, frischte er erfreulicherweise auf, so dass wir raumschots mit sechs Knoten dahinglitten. Der Golf ist bekannt für gute Windverhältnisse und klar, dass Luna Rossa hier ihre Basis hat resp. hatte, denn jetzt findet ja der America’s Cup vor Barcelona statt. Um 16 Uhr legten wir nach 25 Meilen in der Marina Karalis, mitten in der Stadt, an. Am Abend liessen wir uns per Taxi zu einem Nobelrestaurant (Cala Mosca) fahren, wo Kudi und Lilo ihren 32. Hochzeitstag feierten.
Da der Wind erst gegen Mittag kam, machten wir noch eine kleine Stadttour durch Cagliari. Es war schweisstreibend, da man in die Altstadt hinaufsteigen musste, doch der Ausblick oben über die Stadt, auf den riesigen Hafen und den weiten Golf lohnte sich. Die Prachtsbauten der Bastione Saint Remy und die prachtvolle Kathedrale prägen das Bild der Altstadt. Bevor wir uns auf den Weg nach Villasimius machten, ankerten wir noch in einer malerischen Bucht nahe Cagliari, assen Lunch, badeten und warteten auf den Wind. Und der kam dann um 15 Uhr um einiges mehr als erwartet! Wir mussten gleich das zweite Reff einziehen und am Steuer gab es bei Windstärke sechs bald mal Schwimmwestenzwang. Drei Stunden später beruhigte sich das Ganze, wir glitten gemütlich dahin und liessen uns von Mark Knopflers Musik in Abendstimmung bringen.
Die Ostküste hoch
Heute Samstag mussten wir mangels Wind wieder einmal motoren. Zum Glück hatten wir uns nur eine relativ kurze Strecke von zwanzig Meilen vorgenommen. Zuerst umrundeten wir die Südostecke von Sardinien mit einem imposanten Leuchtturm. Ab jetzt ging es wieder Richtung Nord und wir motorten der Küste entlang bis zum Capo Ferrato. Hier sollte es einen Ankerplatz vor dem Eingang zu einer Lagune geben, von der der Hafenführer sagt, dass er mit dem Dinghi befahren werden kann und „wie ein einziger grosser Garten mit Olivenbäumen und Obstkulturen wirkt“. Aber leider war der Eingang gesperrt und wir suchten uns einen bessern Ankerplatz eine Meile südlicher aus. Die Entscheidung war gut und der Anker hielt auf Anhieb. Wir liessen 60 Meter Kette über sieben Meter Ankergrund raus.
Unsere Lieblingsmarina der Ostküste
Die Nacht vor Anker war nicht sehr erhebend gewesen und raubte einigen den Schlaf; es hatte teilweise recht Dünung – eine Risiko bei offenen Buchten. Für heute Abend wollte die Crew wieder wellenlos schlafen, sprich eine Marina anlaufen. Die Windprognose sagte für heute, dem ersten Septembertag, acht bis zehn Knoten NO-Wind ab zwölf Uhr voraus. Es stimmte tatsächlich, nach zwei Stunden unter Motor konnten wir raumschots entlang der unverbauten Küste, die fast nur aus Sandstränden bestand, bis fast vor Arbatax segeln. Wir gingen vor der Marina Santa Maria di Navarrese noch vor Anker, nahmen ein Abendbad (es ist immer noch um die 30 Grad heiss) und genossen einen kleinen Apéro. Nach 43 Meilen Fahrt legten wir in der Marina an. Abends genossen wir auf der Terrasse des Restaurants „Toma“ gleich über den Hafen ein feines Nachtessen mit toller Aussicht auf die Bucht von Arbatax.
Der schönste Segeltag
Wieder lagen über 40 Meilen vor uns. Ob wir wohl wieder so viel motoren müssen? Nein, heute stimmte der Wind dank einer Gewitterzelle über Sardinien, die den Wind aufsog. Wir konnten raumschots den Golf von Orsosai bei 15-17 Knoten Südostwind und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von sieben Knoten durchfahren und mussten erst nach 37 Meilen halsen, um die letzten sieben Meilen auf die Marina La Caletta zuzuhalten. Längsseits lagen wir vor einer wunderschön bemalten Hafenmauer, die von einigen Künstlern als Projekt fortgeführt wird.
Kein Wind – Hafentag
Der Entscheid fiel uns heute leicht: Kein Wind – Hafentag. Der Morgen begrüsste uns mit einer dramatischen Gewitterstimmung. Ein kleiner Badeausflug drei Meilen der Küste entlang zu einem ruhigen Ankerplatz in der Nähe des Capo Comino war genau richtig und wir genossen das Bad in smaragdgrünem Wasser. Gleich neben uns soll sich das Wrack eines abgestürzten Fliegers von 1963 auf sechs Meter Tiefe befinden. Wir sahen aber leider nichts. Abends machten wir einen Ausflug in das sieben Kilometer entfernte Posada, das eine bewegte Geschichte hinter sich hat. (>Geschichte) Der atemberaubende Ausblick aufs Meer war umwerfend. Leicht beduselt vom Apéro kragselten wir noch auf den Castello Turm hinauf. Von hier oben konnte man eine volle 360-Grad Rundsicht geniessen. Der glorreiche Abschluss des Tages war ein Nachtessen in der Trattoria Marco & Catarina, einem echt italienischen Restaurant. Wir waren die einzigen Touristen und es schmeckte einmalig!
Gewitter – Gewitter!
Heute wollten wir kleine Brötchen backen und segelten lediglich15 Meilen mit angenehmen zehn Knoten SO-Wind bis in die Bucht von Cala Cavallo. Man merkte, dass wir uns nun der Costa Smeralda näherten, die Bucht war überfüllt mit Booten aller Art und der Hügel, der guten Windschutz bot, war mit Bungalows überbaut. Wir versicherten uns nochmals über die kommende Gewittertätigkeit und schauten, dass wir genug Raum zum Schwojen haben werden. 70 Meter Kette über neun Meter Ankergrund sollten genug sein. Ein Charterboot, das genau vor uns ankern wollte, mussten wir wegschicken und ein unförmiger Motorkatamaran stand ein bisschen nah neben uns. Die Szenerie abends mit Sonnenschein unter Gewitterwolken über dem Meer ist eindrücklich. Genau den doofen Kat, der sich anders vor Anker bewegt, mussten wir nachts im Auge behalten und von Zeit zu Zeit Ankerwache halten, wenn der Wind auffrischte. Zum Glück gab es keine grossen Gewitterböen, es leuchtete einfach rund um uns herum. Was für ein Schauspiel!
Ein stürmisches Finale
Da wir morgen schon in der Marina von Olbia sein müssen, planen wir lediglich einen relativ kurzen Schlag an die Costa Smeralda. Der hat es aber in sich. Windfinder prognostiziert 18-21 Knoten (Windstärke 5), was uns zu einem kurzen Rennen mit einer englischen Yacht animiert. Sie ist zwar zehn Fuss länger, aber wir schlagen sie nach einer Aufholjagd. Als wir in den Golf von Congianus eintauchen, frischt der Wind aber unerwarteterweise bis auf Windstärke sieben auf. Zum ersten Mal müssen wir sogar die Fock reffen und haben Beddenken, ob unser vorgesehener Ankerplatz in der Cala di Volpe wohl genug Windschutz bieten wird. Kurzzeitig überlegen wir abzudrehen, aber dann beissen wir uns durch.
Die letzten drei Meilen müssen wir die Segel bergen und gegenan motoren. Und tatsächlich geht der Wind auf 20 Knoten zurück und wir können um 15.30 Uhr in der Bucht sicher über gut haltendem Sandgrund ankern. Jetzt gibt es endlich den verspäteten Lunch! Zwei Stunden später kommen irgendwelche Offizielle angebraust und fordern uns auf, weiter weg von den ausgelegten Mooringbojen zu ankern. Als wir per Funk nachfragen, wieviel denn eine solche Boje für die Nacht kosten würde, verstehen wir die Welt nicht mehr: 605 Euro! Wir lehnen dankend ab und ankern ein bisschen weiter weg. Kein Wunder, dass beinahe alle diese Bojen leer sind. Nur ein paar wenige Yachten von vierzig Meter Länge aufwärts können sich offenbar diese Perversitäten leisten.
Ein Abschluss nach Mass
Der letzte Segeltag am Freitag entpuppte sich als friedlichen Abschluss. Bei leichtem Südostwind segelten wir 20 Seemeilen von unserem herrlichen Ankerplatz in der Cala di Volpe zurück nach Olbia und machten noch einen kurzen Anker- und Lunchhalt im Golf von Arranchi. Dann hiess es Geduld wahren, bis wir zusammen mit den vielen wartenden Charterschiffen endlich in die Marina MOYS einfahren durften.
Wir hatten 357 Seemeilen von Alghero bis Olbia geschafft, davon konnten wir 192 Meilen unter Segel zurücklegen. Wir lagen achtmal vor Anker und übernachteten fünfmal in einer Marina. Die mittlere Windstärke lag bei drei Beaufort, nur einmal – am zweitletzten Tag – drehte er auf Sturmstärke (7 Bf) auf.