10. – 30.09. 2021
Unser letzter Törn führte uns entlang der portugiesischen Atlantikküste von Vilagarcia bis nach Lagos in der Algarve. Für einmal zeigte sich dieser Abschnitt von der windlosen und welligen Seite. In der ersten Woche begleiteten uns Patrick und Thierry, die mangels Wind um so mehr die zahlreichen interessanten Hafenorte genossen. In der zweiten Woche, wo mangels Häfen lange Schläge bevorstanden, standen uns Urs mit seinem Sohn Adi zur Seite, die ihre Seefestigkeit schon früher unter Beweis gestellt hatten. Nach 460 Seemeilen hatten wir unser Saisonziel nach zwei Wochen intensivem Segeln erreicht.
Zugegeben, unser Startpunkt für diesen letzten Törn lag mit Vilagarcia noch in Spanien. Doch dies hatte zwei Gründe: Erstens mussten wir einen Getriebeölwechsel wegen einer undichten Propellerdichtung vornehmen, was nur im Nachbarhafen von Vigo möglich war und zweitens war unsere erste Crew mit Patrick und Thierry eher für kurze Schläge und interessante Hafenorte zu begeistern, was später ab Porto nicht mehr möglich sein wird.
Mehr aus Zufall kontrollierte ich neben dem Motor- auch den Getriebeölstand, was normalerweise nur höchstens monatlich nötig ist. Dabei erschrak ich sehr: Hinter dem Saildrive-Getriebe hatte sich ungefähr ein halber Liter Öl angesammelt und die milchige Farbe wies auf eine Undichtigkeit der Propellerdichtung hin. Der Yanmar Techniker nahm dann einen Getriebeölwechsel vor und erlaubte uns bis nach Lagos weiter zu segeln um die Dichtungen im Jahresservice ersetzen zu lassen.
Unsere Crew nahm es gelassen und versuchte erst mal die lauschigen Plätzchen dieser Stadt zu finden. Aber erstens prasselte ein ausgiebiges Gewitter nieder und zweitens waren wir zu weit vom Stadtkern entfernt. Es war noch schlimmer: Neben uns war eine Schiffswerft für Grossschifffahrt platziert, die auch in Nachtschicht weiterarbeitete und für eine unruhige Nacht sorgte. Hauptsache war aber natürlich, dass wir ohne das Schiff auswassern zu müssen, weiter segeln konnten. Auch das Nachtessen in einer Hafenbeiz kam nicht über das Niveau eines Handytoasts und eines mürrischen Beizers hinaus – unser kulinarischer Tiefpunkt.
Eine Steigerung – sowohl seglerisch, als auch kulturell-kulinarisch war dringend nötig. Da kam Baiona gerade richtig. Thierry konnte nun das erste Mal das Steuer übernehmen. Kurz vor dem Nachmittagsgewitter – so ist das eben an der Atlantikküste – konnten wir die Sarabella in der Marina belegen. Nach der Siesta besuchten wir das Städtchen, das historische Berühmtheit erlangt hatte, als 1493 Kapitän Alonzo Pinzon von der ersten Amerikareise von Kolumbus zurückgekehrt war und der Welt die „Breaking News“ der neuen Welt erzählte. Ein Rundgang auf den drei Kilometer langen Festungsmaurern bescherte uns einen eindrücklichen Blick in die endlose Weite des Atlantiks; von daher mussten im fünfzehnten Jahrhundert die Entdecker nach einer unglaublich harten Reise zurückgekehrt sein. Um den Tag auch kulinarisch auf diesem Niveau beenden zu können, gingen wir kein Risiko ein und genossen Regis Küche – ein fester Wert!
Viano do Castelo war unser nächster Hafen. Ein super netter Hafenmeister („no problem my friend“) lotste uns durch eine Hafeneinfahrt, die eng wie ein Nadelör aussah und bei Ebbe gerade noch mit unserer Kieltiefe anfahrbar war. Dass es für die 36 Meilen keinen Wind hatte, war diesmal nicht so schlimm, da damit das Getriebe seine Nagelprobe bestanden hatte; wir konnten beruhigt weitersegeln respektive motoren, was wider Erwarten mehr als üblich der Fall sein wird.
Und schon wieder schlug der Schadenteufel zu: Das Batterieladegerät funktionierte plötzlich nicht mehr. Die Organisation eines Technikers, der in drei (!) Tagen in Porto die Sache angeschaut hätte, war zeitaufreibend. Zum Glück hatten wir noch die Solarzellen, die den Grundbedarf an Strom deckten.
Doch es kam ganz anders: Im nächsten Hafen war alles wieder in Ordnung und es stellte sich heraus, dass die Marina von Viano de Castelo ab und zu ein Spannungsproblem, d.h. eine zu wenig hohe Voltzahl hatte, was die delikate Ladeelektronik aus dem Takt gebracht hatte. Das Gute an der Sache: Ich hatte wieder etwas gelernt. Unsere Crew ging unterdessen wieder auf Entdeckertour und überzeugte uns, dass ein Hafentag zum Bummeln durch die fantastische Altstadt mit ihren schmucken Gässchen – ein Leckerbissen für Architektur Interessierte – durchaus Sinn machte. Sehr interessant war für uns auch das Spital-Museumsschiff „Gil Eannes“, das in den sechziger Jahren den portugiesischen Fischerflotten in den Nordatlantik gefolgt war um sie vor Ort zu verarzten und zu pflegen. Ihre original erhaltene Spitaleinrichtung mit Röntgen- und Operationssaal muss für diese Zeit des Modernste gewesen sein.
Nach zwei Tagen in Viana do Castelo motorten wir entlang der Küste – es war bewölkt, sah regnerisch aus und schon wieder liess uns der Wind im Stich. Zum Abschluss reichte es doch noch für eine Stunde segeln bei zwei bis drei Beaufort. Kaum in Pavoa de Varzim angelegt (mit leichtem Südwind und Regen), drehte der Wind innerhalb von zwei Minuten auf Nord und fegte mit 25 kn in den Hafen, der wegen seinem grossen Becken recht viel Swell erzeugte. Nochmals Glück gehabt!
Wir hatten diese Woche 118 Meilen gemacht. Es war viel Motoren und mehr Entdeckung und Sightseeing an Land als segeln angesagt gewesen. Die Crew hat es dennoch genossen. Am Samstag gingen Thierry und Patrick nach Hause. Pavoa da Varzim sollte der Schlusspunkt dieser Segelwoche sein, da Porto trotz Vorreservation uns keinen Platz zur Verfügung stellen konnte.
Ironie des Schicksals: Die nächsten Tage wehte es aus vollen Rohren, während wir im Hafen festsassen. Wir mussten die Sarabella mit fünf Leinen belegen, damit sie nicht auf den Steg gedrückt wurde. Dafür kriegten wir das volle Hafenkinoprogramm mit, da neue Yachten, die anzulegen versuchten, etliche Schwierigkeiten hatten. Manchmal fragten wir uns bei diesen Ungeschicklichkeiten, wie solche Crews – meistens Ehepaare – bei tatsächlich stürmischen Bedingungen auf dem Atlantik klarkommen.
Am Montag konnten wir uns dann endlich nach Porto verlegen. Nur mit der Fock segelnd, kämpften wir auf den hohen Wellen die zwanzig Seemeilen durch. Kaum im langen Ansteuerungskanal von Porto resp. dem Fluss Lima angelangt, fiel der Wind in sich zusammen und es wurde warm und friedlich.
Schon am nächsten Tag wollten wir diese interessante Stadt, die in allen Reiseführern aufs Höchste gelobt wird, erkunden. Wir sind überwältigt von der Ausstrahlung, den vielen versteckten Gässchen und der absolut einmaligen Stimmung. Ein „Must“ und ein weiterer Höhepunkt unserer Reise. >Album
Bevor Urs und Adi übermorgen an Bord kommen, galt es, wieder mal auf Grosseinkauf zu gehen. Dies ist wie so oft mit einer mehr oder wenigen zeitaufwendigen Aktion und der Suche eines geeigneten Supermarkts und der Organisation eines Taxis verbunden, da die unglaublich vielen Kilos von Food weder getragen werden können, noch auf unser handliches Klappvelo passen. Dies brachte uns auf die Idee, ob es zu zweit mit einem zusätzlichen fahrbaren Untersatz, zum Beispiel einem E-Trotti, wohl einfacher wäre. Als wir in diesem Supermarkt von Porto solch ein Gefährt sahen, war Regi ganz begeistert von der Idee. Aber zuerst mieteten wir uns mal zwei von diesen Dingern, die überall herumstehen und per App ganz einfach aufgeschlossen werden können um irgendwohin zu fahren, um sie dann ebenso unkompliziert irgendwo stehen zu lassen. Eine kleine Fahrt an den wunderschönen Strand entpuppte sich als absoluter Hit; die Aussicht und das warme Sommerwetter – endlich mal kein Regen – begeisterte uns vollauf. P.S. Das E-Trotti steht auf der Weihnachtsliste!
Mit Adi und Urs machten wir zuerst mal eine kleine Stadttour in Porto. Noch einmal nahmen wir die Sesselbahn zur Oberstadt, überquerten die 70 Meter hohe hundertjährige Brücke um dann mit dem Funiculaire (>Clip) wieder in die Altstadt runter zu fahren.
Am Freitag segelten wir 65 Meilen bis Figuera da Foz. Gedacht war eigentlich nur bis Aveiro zu segeln und in einer Bucht zu ankern, aber als wir guten Wind hatten, zogen wir es durch, obwohl wir schlussendlich doch motoren mussten. Schliesslich waren Urs und Adi erfahrene Segler, die auch schon mal einen zehnstündigen Einstiegstag ohne Abnutzungserscheinungen durchstehen. Highlight waren die schon lange vermisste Delphine. (Clip) Gerade vor Einbruch der Dunkelheit konnten wir im 20 Uhr in der Marina anlegen.
Heute konnten wir endlich mal segeln. Wir kreuzten 25 Seemeilen bei schönem regelmässigen Südwind um 15 Knoten (Windstärke 3) und Sonnenschein, mussten aber dann die Segel streichen, da wir sonst Nazaré nicht vor Sonnenuntergang erreicht hätten. Die berühmte Surfecke eine Meile vor dem Hafen, wo sich sonst die weltweit höchsten Wellen (bis zu 30 m!) wegen dem tiefsten Unterwassercanyon von Europa (bis 3000 m tief!) aufbauen, sahen heute absolut unspektakulär aus; zum Leidwesen unserer Crew und Surfer Adi, der nur allzu gerne ein Spektakel gesehen hätte. (>Weltrekord Garrett McNamara 2019, youtube)
Die kurzen 25 Meilen bis nach Peniche waren ein richtiges Sonntagsfährtchen: Windstärke zwei, wenig Wellen und wieder mal ein Kap mit schönem Leuchtturm gerundet. Im Fischerhafen, wo wir Segler wohl eher geduldet als erwünscht waren, kamen wir neben einen grossen Katamaran aus Brasilien zu liegen, der hier mal drei Monate Pause machte, da er noch nicht wusste, wie es weiter gehen sollte. Das zweite Nachbarschiff mit einem jungen portugiesischen Paar, machte sich eben bereit um nach Madeira zu segeln; immerhin 500 Meilen. Es war höchstens zehn Meter lang, machte nicht einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck und mangels Stauraum hingen alle Fender und weiteres Geschirr an der Reling. Wir konnten uns gar nicht vorstellen, wie man bei dieser Atlantikdünung eine solche Überfahrt einigermassen unbeschadet übersteht. Dasselbe Ziel hatte ein Franzose mit einer durchaus Blauwasser tauglichen Ovni 450, den wir in Porto getroffen hatten und in Nazaré wieder trafen. Er erzählte uns, er hätte nicht weiter segeln respektive anlegen können, da der Motor wegen verdrecktem Diesel gestreikt hatte und er nachts mitten auf dem Meer einen Filterwechsel vornehmen musste. Aber sein grösseres Problem war seine Frau, die erst seetüchtig wurde, nachdem sie eine Ohrenoperation über sich hatte ergehen lassen. Nächstes Jahr will er bis Panama segeln! Es ist immer wieder interessant, solche Geschichten zu hören.
Und nun kam endlich Lissabon, respektive die etwas ausserhalb liegende Marina von Cascais dran. Einmal mehr war motoren angesagt und beim kleinsten Lüftchen versuchte unsere Crew mit Feintrimmung die Sarabella zum Laufen zu bringen, was wenigstens für eine Stunde Segeln reichte. Das Einchecken war obermühsam, pingelig und dauerte mehr als eine halbe Stunde. Als wir dann noch Diesel tanken wollten, mussten wir eine geschlagene Stunde hinter einer Motoryacht warten, die 1600 Liter (!) bunkerte. Und was war mit dem Hafentag und dem Besuch von Lissabon: Er fiel ins Wasser. Für morgen war endlich Wind angesagt und so schwer uns die Entscheidung fiel, entschieden wir uns fürs Weitersegeln. Schliesslich war das ein Überführungstörn und die Stadt läuft uns nicht davon.
Endlich hatten wir Wind und nicht zu wenig. Wir segelten raumschots und mit zwei Reffs im Grosssegel um das Capo Espichel und hofften dann auf Wind- und Wellenabdeckung. Wegen dem Kapeffekt legten beide noch einen Zacken zu, so dass wir 25-27 Knoten Wind und zwei Meter hohe Wellen hatten und zum ersten Mal die Fock reffen mussten. Da die kleine Marina Sesimbra keinen Platz für eine 15 Meter lange Yacht hatte, segeteln wir noch 14 Meilen der Küste entlang, bis zur Marina Troia gelangten, was sich als Glücksfall herausstellte, da es mitten in einem Naturschutzgebiet liegt und wir zum Tagesabschluss eine schöne Dünen- und Strandwanderung machen konnten. Bekanntheit erlangte das Gebiet, da Naturschützer es schafften, innnerhalb von 50 Jahren dank geschickter Bepflanzung die schwindene Strand- und Dünenfläche zu verdoppeln.
*Während der Aufnahme springen wir hinter dem Fotographen an die zweite Position.
Sines wird uns noch lange in schlechter Erinnerung bleiben. Nicht wegen dem Wind, der war wieder mal unstet und erforderte einige Segelwechsel. Zugegeben, zwischendurch was es unter Reacher recht gemütlich. Regi servierte Urs und Adi sogar den Zvieri-Kaffee an Deck.
Bis jetzt waren wir ziemlich stolz gewesen, dass wir nach 60 Häfen und einigen Schleusen nirgendwo angeschlagen und keine „Beule“ gemacht hatten. Aber in dieser Marina waren die dofen Stegklampen so weit aussen montiert, dass ich beim retour anlegen prompt mit dem Heck anschlug und eine zwei Zentimeter tiefe Delle in in den Kunststoff schlug. Eine Schnellreparatur mit Gelcoatspachtel überdeckte das Malheur allerdings recht gut.
Und jetzt stand uns der letzte Schlag bis nach Lagos bevor – 80 Meilen der fast unbewohnten Küste entlang. Um bei Tageslicht anzukommen, mussten wir schon um vier Uhr morgens ablegen. Unsere grösste Sorge war, dass wir eine der unzähligen Fischernetzbojen übersahen und sich die Leine im Propeller verfangen könnte. Ein Abschneiden wäre auf dem Wasser unmöglich. Deshalb waren wir froh, dass ein starker Rückenwind aus Nord uns erlaubte, den Motor, kaum dass wir aus dem Hafen waren, auszuschalten. Nachtsegeln war uns deshalb ein Graus, aber in den Morgen zu segeln, waren wir uns gewohnt und bescherte immer wieder einmalige Momente, wenn die Sonne aufging. Dass wir gleich noch einen hell beleuchteten Frachter trafen, machte die Sache fotographisch perfekt.
Nach dem Sonnenaufgang war es aber mit dem Wind vorbei und wir mussten wieder den Motor starten. Da immer noch viel Seegang vom Nachtwind herrschte, wurde die Fahrt bis zu unserem letzten Kap – dem Cabo di San Vincente – eine mühsame Tortur. Frühstück gab es nur einhändig, da man sich mit der freien Hand gut festhalten musste um nicht im Cockpit herum geschleudert zu werden. Wer Steuerwache hatte, musste angegurtet stehen und wachsam den Netzbojen ausweichen. Dass unsere Vorsicht nicht unbegründet war, erfuhren wir erst im nach hinein. Eine professionelle Überführungscrew, die wir in Lagos trafen, war des Nachts so unglücklich in ein Netz gefahren, dass sie chancenlos zwanzig Meilen vor der Küste gefangen blieben und eine Security Meldung absetzen mussten. Erst am Morgen zog sie das Fischerboot heran und kappte die Leine, ohne irgendwie mit ihnen zu kommunizieren. Der Grund war klar: Die Fischer wollten so einer Strafe entgehen, da sie zweifellos das Netz zu hoch gesetzt hatten.
Was wir auch noch später erfuhren: Vor zwei Wochen waren an diesem Kap gleich drei Segelyachten von Orkas dermassen heftig angegriffen worden, dass sie mit Ruderschaden von der Coastguard in den Hafen geschleppt werden mussten. Dieses Phänomen dieser aggressiven Tiere beschäftigt im Moment viele Atlantiksegler. (>Video). Wir waren ziemlich erleichtert, nach insgesamt 2800 Seemeilen unbeschadet in Lagos angekommen zu sein!
Und jetzt lagen wir in dieser Luxusmarina am exklusiven Platz für „honory members“ mangels anderen Verfügbarkeiten. Ein bisschen stolz waren wir schon: Wir hatten keinen Unfall, keine Kollisionen und dank regelmässiger Kontrolle auch keine nennenswerte Ausfälle gehabt. Sechs tolle Crews hatten uns begleitet und auch ihren Teil zu dieser erfolgreichen Saison beigetragen.
Schon am nächsten Tag kamen die Segel runter und am Montag wird die Sarabella fürs Winterlager ausgewassert. Was nun folgt, sind sieben Monate harte Winterzeit. Nächsten Mai geht es weiter ins Mittelmeer. Mal sehen, was diese Strecke uns an Überraschungen bereit hält!
Törnstrecke: Vilagarcia-Vigo-Baiona-Viano do Castelo-Pavoa de Varzim-Porto-Figuera da Foz-Nazaré-Peniche-Cascais-Troia-Sines-Lagos Total: 435 sm