Der Tunesientörn 2024

15. – 26. Sept. 2024

Für diese zwei Wochen stand eine grosse Überfahrt nach Tunesien auf dem Törnplan. Wir mussten die Sarabella wieder mal aus dem EU-Raum ausführen. Adi und Urs begleiteten uns auf dieser Fahrt, die sich am Schluss gut fügte, da wir ein gutes Wetterfenster erwischt hatten.

Das kann ja heiter werden!

Nachdem die Mistralwoche abgeklungen war, machten wir uns wenig Hoffnung auf neuen Wind. Die 30 Meilen bis nach La Caletta war dann eben ein Wechsel zwischen Segeln bei Leichtwind und Motoren. Und auch der zweite Segeltag bis Santa Maria di Navarrese mit 46 Meilen fiel nicht ins Wasser, aber in die Flaute. Das ist nicht gerade das, worauf sich Urs und Adi gefreut hatten, denn sie sind gute Segler und haben schon einige Starkwindtage auf der Sarabella mitgemacht und dies sichtlich genossen.

Adi und Urs steuern bei Leichtwind nach La Caletta.
Die Marina Santa Teresa did Navarrese – gut geschützt. (Bild Estate in Sardenia)

Auf Wochenmitte war dann aber doch ein Wetterumschwung angesagt: Westwind und Gewitter. Das erstere brauchten wir, da um die 60 Meilen bis nach Villasimius, der Südecke von Sardinien, bevorstanden. Auf Gewitter konnten wir gut verzichten, obwohl sie bei einiger Entfernung immer wieder guten Wind brachten. Um 09.30 Uhr legten wir in Santa Maria di Navarrese ab und konnten schon nach drei Meilen den Reacher für einen regelmässigen Nordwestwind setzen. Es war erstaunlich: Wir segelten mit durchschnittlich sechs Knoten entlang der abwechslungsreichen Ostküste, ohne während 50 Meilen eine einzige Halse fahren zu müssen! Und dann kam das Gewitter halt doch noch über die Berge und deckte uns mit Starkregen ein. Teilweise betrug die Sicht gleich Null. Aus Sicherheitsgründen bargen wir die Segel und motorten die letzten 14 Meilen bis zur Marina, die wir gerade noch vor Sonnenuntergang erreichten. Das war ein anstrengender und nasser Tag gewesen! Im Logbuch standen 67 Meilen auf dem Zähler.

Das Gewitter kommt näher als gedacht …
… Sonnenuntergang mit Dramatik…

Die Überfahrt

Heute Mittwoch war der Nachttörn nach Tunesien, respektive in die Marina Bizerte, auf dem Programm um unser Schiff wieder aus dem EU-Raum auszuklarieren. Nach genauem Studium der Wetterdaten für die nächsten 24 Stunden, sollte es wenig Wind und vor allem wenig Seegang haben. Die Rechnung ging auf: Es war eine wirklich ruhige Fahrt (leider meistens unter Motor) und abends versank die Sonne mit Glühen im Meer während auf der anderen Seite der Mond aufging. Es war magisch! Wir wechselten uns alle zwei Stunden mit der Ruderwache ab, da diese Passage eine dicht befahrene Schifffahrtsstrasse durchquert und es ab und zu riesige Containerfrachter von 300 (!) Meter Länge hatte, die unseren Kurs kreuzten. Ein kurzer Funkspruch „What is your intention“ klärte die Situation und wir wichen aus. Die letzten 25 Meilen konnten wir doch noch segeln und bremsten am Schluss noch ab, indem wir das Grosssegel bargen, damit wir nicht bei Dunkelheit in die Marina einlaufen mussten. Nach 21 Stunden und 118 Meilen Fahrt kamen wir am Donnerstagmorgen um 07.00 Uhr in Bizerte an.

Ein schöner Sonnenuntergang im Westen …
… während im Osten gleichzeitig der Mond aufstieg.

Es lebe die Bürokratie

Das Pass- resp. Zoll- und Einklarierungsprozedere suchte seinesgleichen. Zuerst kamen drei Zollpersonen an Bord, die es sich im Salon gemütlich machten, das Schiff genau untersuchten und jegliches elektronisches Zubehör inkl. Natels, Tabletts auf einem ausführlichen Formular notierten. Dann ging es zur Passkontrolle, wo jedes Crewmitglied mit Eye-Scanning und Fingerprint (!) registriert und abgestempelt wurde, was natürlich seine Zeit dauerte, da der Beamte das Handling nicht so im Griff hatte und erst nach zehn Minuten realisierte, dass er mich mit Urs verwechselt hatte.

Ein Kurzbesuch in der Stadt von Regi und Adi war ernüchternd: Überall war es schmutzig, es stank nach Abwasser und die Häuser sahen armselig aus. Unterdessen wollte ich den Strom anschliessen, was nur möglich war, in dem der Marina-Elektriker meinen Stecker auseinander nahm und die Kabel direkt (ohne Erdung!) an der Stromkonsole anschloss. Quasi eine Operation am offenen Herzen!

Am Freitag morgen wollten wir ablegen und mussten nochmals eine Passkontrolle durchlaufen. Auch das dauerte wieder (Eye-scanning und Fingerabdruck zum Zweiten ) und die Pässe bekamen wir erst zurück, nachdem der Zollbeamte alle Räume der Sarabella durchsucht hatte, um sicher zu gehen, dass wir nicht doch noch einen ausreisewilligen Tunesier aus dem Land schmuggelten. Das wichtigste Dokument war aber die Hafenquittung, die bewies, dass die Sarabella aus der EU ausklariert worden war.

Der Stromanschluss wird offen verkabelt!
Wir verlassen das schmucklose Bizerte ….
für diesen Stempel, der mehrere tausend Euro Mehrwertsteuer erspart.

Wetterglück zum zweiten

Nach 115 Meilen und 18 Stunden Fahrt – leider fast alles wieder unter Motor – kamen wir am Freitag um neun Uhr morgens in der Marina Karalis in Cagliari an. Den ersten (italienischen) Sonnenaufgang genossen wir doppelt. Es war eine interessante Erfahrung gewesen und wir hatten viel Glück mit dem Wetter gehabt: Keine nervige Dünung – keine Gewitter. Jetzt dürfen wir mit der Sarabella wieder 18 Monate im EU-Raum blieben.

Der erste „italienische“ Sonnenaufgang
Die Marina Portu Karalis liegt mitten in Cagliari.

Wieder mal ankern

Ein Segeltag kann so viele Überraschungen bieten. Zuerst hätte es gemäss Prognose (alle Wind-Apps waren sich einig!) NO-Wind mit 3-4 Beaufort haben sollen: Es herrschte aber Flaute und nur hohe Dünung aus Ost. Nach einer Stunde Motorfahrt kam endlich Wind auf, aber aus Südost. Adi ging ans Steuer, da es für ihn der letzte Segeltag war. Ich ging nach unten und machte Kaffee für die Crew. Plötzlich krängte die Sarabella und die Kaffeetassen flogen durch den Salon. Von einer Minute zur nächsten frischte der Wind auf 25 Knoten Nordost auf. So schnell es ging, refften wir das Grosssegel und zogen die Schwimmwesten an. Nach zwei Minuten hatten wir die Sarabella wieder im Griff. Das war knapp! Doch nun konnten wir unser rassiges „Sonntagsfährtli“ geniessen und Adi kam nochmals auf seine Rechnung. Ganz knapp schaffte er es auf neun Knoten Speed (am Wind!). Nach vier Stunden und 30 Meilen später gingen wir vor Villasimius, das gut vor Ostwind schützt, vor Anker. Die interessante Segelwoche hatte mit einem Paukenschlag geendet! Ab morgen werden wir zu dritt Richtung Olbia segeln.

Die erste Ankernacht seit langem vor Villasimius
… wenn plötzlich der Wind einfällt.

Einfach nur schön – der Weg zurück nach Olbia

Am Montagmorgen gingen wir kurz an die Tankstelle der Marina Villasimius und luden Adi aus. Er musste mit dem Bus zurück nach Cagliari fahren um seinen Rückflug zu kriegen. Noch schnell schoss er ein Abschiedsfoto. Für Urs und uns sollte es ein rassiger Segeltag werden und wir wurden nicht enttäuscht: Zuerst ging es gemächlich unter Reacher und Gross der Küste entlang nach Norden. Und dann geschah das Gleiche wie gestern, aber diesmal waren wir gefasst darauf: Es frischte in zwei Minuten auf 25 Knoten (Windstärke sechs) auf. Wir schafften es den Reacher schnell einzurollen und das Grosssegel zu reffen. Von da an rauschten wir mit acht Knoten auf Porto Corallo zu. Am Schluss mussten wir bei zunehmendem Seegang das Grosssegel sogar ganz bergen, da die Gefahr bestand, dass die Sarabella aus dem Ruder lief. Zum Glück nahm der Wind in der Marina auf 15 Knoten ab und wir konnten trotz Seitenwind sauber anlegen. Wir hatten dreissig wunderschöne Meilen geschafft. Für das Nachtessen mussten wir nur die Strasse überqueren und konnten beste Ravioli in der Taverna S’Allegusta e sa Cassola geniessen. Das Tiramisu – mein Lieblingsdessert – war ebenfalls der Hammer!

Am Dienstag glich das Windmuster demjenigen von gestern. Wir motorten lediglich drei Meilen aus der Marina Corolla raus und kriegten dann eine leichte Südwestbrise. Um den Mittag frischte es auf und der Wind drehte voll auf Süd, was bedeutete, dass wir vor dem Wind kreuzen mussten. Wir bargen das Grosssegel um direkter auf unser Ziel (Santa Maria di Navarrese) zuhalten zu können und setzten den Reacher. Der Seegang hielt sich in Grenzen, da die Küstennähe ziemlich gut schützte und die Fahrt angenehm machte. Um 16 Uhr legten wir, wie vom Navigationscomputer berechnet, in der Marina an. Wir hatten von den 38 Meilen deren 30 gesegelt; nicht schlecht! Am Abend war wieder mal Regis Küche angesagt.

Ein Segeltag wie aus dem Bilderbuch
… und Verwöhnung durch Regis Küche.

Noch zwei Leichtwindtage

Heute war Leichtwind angesagt. Mal schauen … das hat Windfinder und Co schon manchmal verkündet und dann war es eher Hardcore-Segeln anstatt Erholung. Zuerst ging es gemütlich unter Motor der Küste entlang, die mit ihren zerklüfteten Felsformationen und versteckten Höhlen viele Urlaubsgäste anlockt. Dann mussten wir den Golf von Orsai durchqueren, der gute dreissig Seemeilen lang ist. Und es war tatsächlich ein gemütliches Segeln unter Reacher. Wir lösten uns stundenmässig mit der Ruderwache ab, der Autopilot steuerte und es blieb Zeit zum „Sünnele“ an Deck (es war immer noch dreissig Grad warm) oder zum Lesen.
Nach zwei Stunden fand Regi, dass dies Altherrensegeln war und als uns eine englische Yacht unter Volltuch zu überholen drohte, nahmen wir die Herausforderung an und setzten zusätzlich das Grosssegel. Zur Aufheiterung funkte ich der Yacht rüber (wie das im jetzigen America’s Cup üblich ist): „SY Opus, this is the race committee, we have 10 knots of wind, the race is live„. Am letzten Kap vor La Caletta (Capo Camino) hatten wir dann die Nase vorn – der Tag war gerettet. Am Schluss standen 40 Meilen im Logbuch, wovon wir 24 bei Leichtwind hatten segeln können. Um 16.30 Uhr legten wir längsseits an der schönsten Hafenmauer von Europa an. Nochmals kochte Regi, da der Ort La Caletta keine nennenswerte Tavernas bietet.

Schöne Ansichten entlang der Küste nach Santa Maria die Navarrese
Porto La Caletta mit der schönsten Hafenmauer von Europa – ein Künstlerprojekt aus Emailplättchen.

Der letzte Segeltag bot nochmal alles, was das Seglerherz begehrt. Eine schöne Backstagbrise, wenig Seegang und als Tüpfelchen aufs i nochmals eine kleine Regatta mit der gleichen englischen Segelyacht, die wir schon gestern bekämpft hatten. Sie kam extra in unsere Nähe und setzte dann das Code Zero Segel, womit sie versuchte davon zu segeln. Als sie dann zu früh halste, gelang es uns, sie wieder einzuholen. Ein kurzer Ankerhalt zum Baden, dann nochmals eine kurze Rauschefahrt unter Reacher am mächtigen Tavolaraberg vorbei und vier Meilen später legten wir um 17 Uhr in der Marina Olbia an.
Wir hatten in diesen zwei ereignisreichen Wochen 560 Meilen gemacht und konnten 240 Meilen unter Segel zurücklegen.

Am Tavolaraberg vorbei …
.. in die Marina Olbia, romantisch bei Nacht …
… was am Tag hässlich aussieht.

Wir hatten in diesen zwei ereignisreichen Wochen 560 Meilen gemacht und konnten 241 Meilen unter Segel zurücklegen.

Segelstrecke: Olbia – La Caletta – Santa Maria di Navarrese – Villasimius – Bizerte (Tun) – Cagliari – Villasimius – Porto Corallo – Sante Maria di Navarrese – La Caletta – Olbia. Gesamt: 560 sm, gesegelt: 241 sm

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