Der erste Sardinientörn

28. Mai – 14. Juni 2023

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Eine harmlose Überfahrt

In Trapani (Sizilien) hatten uns Klaus und Felix verlassen und wir hatten zehn Tage Musse um die Überfahrt nach Sardinien zu planen. Mit einem nordwestlichen Kurs, vorbei an den Ägadischen Inseln, sollten wir die 160 Meilen in 24 Stunden schaffen. Am 28. Mai morgens um 10 Uhr legten wir in der Marina Maestrale in Trapani ab und hofften, dass der angesagte Nordwind wenigstens den Tag durch anhalten würde. Um acht Uhr abends hatten wir schon 80 Meilen unter Segel zurück gelegt. Regi hatte ein leckeres Nachtessen gekocht, das wir ruhig bei Sonnenuntergang geniessen konnten, während der Autopilot zuverlässig mit optimalem Windsteuermodus, die Sarabella mit sechs Knoten vorwärts gleiten liess. Um ein Uhr morgens drehte der Wind auf Süd, so dass wir nur mit Reacher Vorsegel weiter unserem Ziel entgegen kamen. Zwischendurch mussten wir den Motor zu Hilfe nehmen, um einigermassen vorwärts zu kommen. Wir wechselten uns alle ein bis zwei Stunden mit der Ruderwache ab, um den Schiffsverkehr mit dem AIS-Signal auf dem Navigationsschirm im Auge zu behalten. Der Südwind hatte Wolken gebracht und so blieb es dann auch für die nächsten Tage; bewölkt und gewitterhaft. Um 09.30 Uhr umrundeten wir die Südspitze von Sardinien – das Capo Carbonara und legten eine halbe Stunde später in der noblen Marina Villasimus an.

Der Törn beginnt – gewitterhaft

Da die Segelwelt ja klein ist, war es wenig verwunderlich auf einen Schweizer Segler als Stegnachbar zu treffen. Peter segelt mit seiner Frau oder auch alleine seit drei Jahren rund um Sardinien und gab uns einige wertvolle Tipps. So warnte er uns, dass in Südsardinien ab und zu mit heftigen Gewittern zu rechnen sei. Dies erfuhren wir gleich am nächsten Tag, als wir in der Marina di Capitana einen Zwischenstopp vor Cagliari einlegten. Kaum waren die Leinen belegt, schafften wir es gerade noch trocken ins Hafenbüro, wo wir dann ein solches Gewitter eine Stunde lang aussassen. Mit Glück waren wir den Böen und den Blitzen, die uns besonders Angst machten und vor denen uns Peter gewarnt hatte, entgangen. Dass wir bei der Ausfahrt aus der Marina trotz Hafenmitte am nächsten Morgen auf eine Sandbank aufliefen, war mehr ärgerlich als beunruhigend und zeigte einmal mehr, dass die angegebenen Wassertiefen auf der elektronischen Seekarte und dem Hafenführer nicht immer vertrauenswürdig sind. Wäre dies bei der Einfahrt, bei Wellen und drohendem Gewitter passiert, hätte dies unter Umständen fatale Folgen haben können. Eine Mitteilung an die Seekartenfirma (Navionics) und den Autor des Hafenführers war garantiert! Gegen Mittag hatten wir den kurzen Sprint nach Cagliari geschafft und bekamen ein Platz in der Marina del Sole. Sie war zwar ein bisschen herunter gekommen, dafür bot sie den schönsten Sonnenuntergang seit langem! Schon früh am Morgen kamen Sarah und Chregu an Bord. Sie hatten einen frühen Flug ab Zürich buchen können und wollten eigentlich gleich los segeln, da die Stadt, die wir am Vortag durchwandert hatten, nicht viel hergab, obwohl sie im Hafenführer als sehenswert beschrieben wird.

Wenigstens herrschte heute Sonnenschein und auf der 25 Meilen langen Strecke zeigte sich Sardinien zum ersten Mal von seiner besseren Seite. Wir ankerten in der grossen Bucht vor Villasimus und trafen wieder auf Peter, der erst morgen im Sinn hatte, weiter zu segeln. Ob es sich dann wirklich überwinden konnte, wissen wir nicht, denn am nächsten Morgen regnete es wieder einmal in Strömen und auch der Wind blieb aus. Trotzdem mussten wir heute einen weiteren Schlag bis nach Corallo unter den Kiel nehmen um in vier Tagen Olbia zu erreichen, wo ihre Freunde Pädi und Dusanka zusteigen werden. Der Porto Corallo war ein öder Ort und nur die nahe Taverna Villa Tamerici, die wir per Autostopp erreichten, besserte unsere Laune einigermassen auf. Um einiges lohnenswerter war die Marina Santa Maria die Navarrese. Doch dann drohte schon wieder ein Gewitter, der Wind fiel zusammen und es hiess Ölzeug montieren. Der Marinero kam mit dem Regenschirm (!) daher gewatschelt und konnte sich nicht entscheiden, ob er den Schirm ablegen sollte um die Mooringleine zu reichen.

Endspurt und Neulinge an Bord

Die Marina La Caletta war der ideale Zwischenhupf, um noch einen Stopp vor Olbia einlegen zu können. Heute schien zwar den ganzen Tag die Sonne, nur blieb leider der Wind weg. Am Abend standen 32 Meilen langweilige Motorenfahrt im Logbuch. Einen Hoffnungsschimmer gab es aber: Die Gewittertendenz hatte markant abgenommen, so dass wir es wagen konnten, die nächste Nacht vor Anker verbringen. Nach 22 Meilen ankerten wir in der Bucht Porto del Taverna, wasserten das Dingi und konnten in total klarem smaragdgrünen Wasser baden. Welch ein Genuss! Das i-Pünktlein des Tages war das obligate Fondue. In der Marina Olbia angekommen, mussten wir erst mal Diesel tanken. Wir hatten in dieser Woche 100 Liter verbraucht, 22 Stunden motort respektive nur rund 40 Prozent gesegelt. Wahrlich kein Ruhmesblatt!

Die Maddalenas und ein Abstecher nach Frankreich

Der erste Segeltag mit Pädi und Dusanka begann mit einem Paukenschlag und viel Wind. Gleich nach der Ausfahrt aus dem Kanal von Olbia hiess es „Schwimmwesten an“. Pädi steuerte zum ersten Mal und genoss es offensichtlich. Kaum hatten wir den Golf von Aranci hinter uns, konnten wir abfallen und mit Raumwind unserem heutigen Ziel – Marina Portisco – entgegen segeln. Das Angebot von Porto Cervo mit € 380 pro Nacht hatten wir dankend abgelehnt! (Portisco € 98). Man merkte schon dem Segelpublikum an, dass wir hier an der Costa Smeralda – der Küste der Reichen und Schönen – angekommen waren. Am Steg gegenüber hatten zwei Mega-Motoryachten angelegt, deren Eigner die Crew antreten liess, um letzte Instruktionen zu geben, da die Herrschaften – aufgebretztelt und eingebildet – an einem Fest für 600 Araber eingeladen waren.

Wir konnten mit leichtem Wind um die letzte Ecke der Costa Smeralda segeln, bevor wieder Flaute einsetzte. Wir nutzten die Windpause zum Ankern in der Bucht von Porto Palma zum Baden, bevor wir mit der Tagesbrise die letzten fünf Meilen bis zur Hauptinsel Maddalena segelten, wo wir mitten in der Stadt in Cala Gavetta anlegten. Für Abendunterhaltung war gesorgt; zehn Meter vor uns lag die Hauptstrasse und die Einfahrt des Fährhafens zum Festland und auch nachts fanden ein paar Junge die Parkbänke vor unserer Yacht ideal um ihre zweifelhaften Gesangskünste zum besten zu geben.

Schon eine Woche im Voraus hatte ich einen Liegeplatz in Bonifacio (Korsika) online reserviert, da dieser Hafen auch in der Nebensaison ein Publikumsmagnet bei den Seglern ist. Nur schon die Einfahrt mit ihren hohen Felsen, in die wir gegen Abend einfuhren, liess unsere Crew grosse Augen machen und auch wir waren genau so „geflasht“. Wir mussten uns aber eine halbe Stunde gedulden, bis uns der Marinero endlich einen Platz zuwies. Es bedurfte Präzisionsarbeit um rückwärts und mit Seitenwind in die schmale Lücke zwischen Motorbooten und einer amerikanischen Segelyacht einzuparken. „Well done“ meinte anerkennend der US-Skipper. Auch die Crew hatte präzis die Leinen dem Marinero zugeworfen und schnell die Mooringleinen befestigt, so dass die Sarabella nicht auf dem Steg aufschlug. Jetzt hielt es nach dem obligaten Anlegedrink – Apérol Spritz ist im Moment hoch im Kurs – niemand mehr an Bord. Alle wollten in die wirklich sensationelle „Ville haute“ hochsteigen und sich ein Bild von dieser Stadt machen, die im Führer so beschrieben ist: „Ein Rundgang durch die mittelalterliche Altstadt vermittelt ein eindrucksvolles Bild vom mühsamen Leben in einer über lange Zeiträume belagerten Stadt. Die Häuser waren oft mit eigenen Zisternen und Vorratskammern ausgestattet, die oberen Stockwerke ursprünglich nur über Strickleitern erreichbar, die in der Nacht eingezogen wurden. Sie war bis 1983 Stützpunkt der Fremdenlegion und beherbergt auch heute noch französische Einheiten. Schon Odysseus soll auf seiner Irrfahrt hier angelegt haben. Bonifacio spricht also schon seit der Antike für sich.“

Zurück nach Sardinien

Heute stimmte mal alles: Kurz raus motoren aus Bonifacio und dann mit drei Beaufort beinahe direkt aufs heutige Ziel los segeln. Es bedurfte dreier Wenden, aber am Schluss standen 38 Meilen unter Segel im Logbuch. Den Besuch der absolut sehenswerten Altstadt verschoben wir auf den nächsten Morgen. Und nochmals trafen wir auf Schweizer Segler. Neben uns lag eine Sun Odyssee 40 und die Frau sagte: „Hoi Thomas, kennst du mich noch?“ Es stellte sich heraus, dass Eva vor Jahren mal zu mir in die Segelschule gekommen war. Jetzt lebte sie neun Monate im Jahr mit ihrem Partner auf ihrer Yacht.

Alghero – Ziel erreicht!

Nach neun Meilen unter Motor setzte sich ein leichter Nordwestwind von zehn Knoten durch, so dass wir direkt auf Stintino zu segeln konnten. Um 17.30 Uhr legten wir an. Wir wasserten das Dinghi und ich machte Shuttle-Transport zum Ristorante, das am anderen Hafenende lag und einen halbstündigen Fussmarsch bedingt hätte, auf den die Crew nach dem langen Segeltag keine Lust mehr hatte.

Für den letzten Segeltag hatte das Wetter nochmals eine Überraschung für uns bereit: Nach der Durchfahrt der heiklen Fornelli-Passage, verdunkelte sich der Himmel. In weiser Voraussicht rollten wir den Reacher ein, bevor die ersten Gewitterböen einfielen. Und wahrlich, diesmal war es ernst gemeint: Innerhalb von ein paar Minuten sprang die Windanzeige auf 40 Knoten (75 km/h) und legte die Sarabella ohne einen Fetzen Segel auf die Seite. Regenböen stürzten auf uns runter und Pädi mit seinem behelfsmässigem Regenschutz war im Nu durchnässt. Nach einer halben Stunde war der Spuk und leider auch der Wind vorbei. Die letzten zehn Meilen bis nach Alghero mussten wir unter Motor zurück legen. Die zweite Überraschung war der überaus herzliche Empfang durch die Crew der Marina Sant Elmo, die nun unser neue Heimathafen sein wird: Wir wurden mit Champagner willkommen geheissen. Was für ein Unterschied zu Kos, das wir genau vor zwei Monaten verlassen hatten! Nach 1’800 Meilen hatten wir also unseren Meilenstein geschafft – ohne Schäden, Kollisionen oder sonstigem Unbill, was bei den erlebten Wetterumständen nicht ganz selbstverständlich war! Dusanka war echt beeindruckt von dieser Woche und Pädi hatte voll den Segelvirus gepackt: Er überlegt sich einen Segelkurs zu buchen.