14.-19.06.2021
Nach weiteren 200 Meilen entlang den Ost- und Westfriesischen Inseln sind wir mit Unterstützung von Profiskipper Jens im holländischen Den Helder, dem grössten Marina-Stützpunkt angekommen. Wind und Strom waren aber nicht immer auf unserer Seite.
Das Sprichwort „Nordsee ist Mordsee“ schien mir bis jetzt immer ein bisschen übertrieben. Aber als wir an unserem freien Segeltag – der DWD hatte eine Sturmwarnung herausgegeben – das Museum „Windstärke 10“ besuchten, wo der Themenschwerpunkt bei den Gefahren der Berufsschifffahrt und der Fischerei lag, staunten wir doch: In der Nordsee liegen Tausende von Wracks auf dem Grund und so manches grausiges Schicksal wurde in der Nordsee besiegelt, sei es durch Auflaufen, Kenterung, gefährliche Vereisung oder Kollision. Einen Trost gab es: Die heutige Seefahrt ist um einiges sicherer geworden!
„Moin, moin“ (soll heissen guten Tag) begrüsste uns Jens mit Norddeutschen Dialekt, als er am Sonntagabend in Cuxhaven an Bord kam. Bevor wir aber über unsere kommende Reise durch das Wattenmeer mit seinen anspruchsvollen Tiden- und Strömungsbedingungen sprachen, gab es erst mal aus Regis Küche ein leckeres Nachtessen. Dann ging es aber gleich in medias res: Auslaufen um 05.00 Uhr damit wir den Ebbstrom der Elbe erwischen können, Kursbesprechung durch die stark befahrenen Verkehrsgebiete und Anlegen in Helgoland.
Es ist schon komisch, wenn man um 09.30 Uhr morgens schon angelegt hat. Unser Timing hatte perfekt funktioniert: Mit dem Tidenstrom von bis zu fünf Knoten erreichten wir 12 kn Fahrt über Grund (SOG-Speed over Ground) und hatten die 35 Seemeilen bis Helogland schon um halb zehn geschafft. Jens (>Bild) gab uns wertvolle Tipps für das rücksichtsvolle oder auch vorgeschriebene Befahren des Fahrwassers. Den Nachmittag haben wir für eine Inselumwanderung genutzt und hautnah die in Deutschland einzigartige Basstölpelkolonie beobachtet.
Dass Helgoland überhaupt noch besteht, ist eigentlich nur dem Unvermögen der Engländer zu verdanken: Am 18. April 1947 versuchten sie diesen Militärstützpunkt als Ganzes, d.h. die ganze Insel, in die Luft zu jagen. Die Bevölkerung wurde evakuiert und per Fernzündung wurde der „Big Bang“ mit 6700 Tonnen Sprengstoff zur Explosion gebracht. Doch das Vorhaben scheiterte; militärisch war zwar alles zerstört, aber die Insel existierte weiter und die Helgoländer begannen mit dem Wiederaufbau, allerdings erst 1952, da die Briten die Insel nach wie vor als Übungsziel für Bombenabwürfe benutzten.
„Das war doch gar nicht so schwer“, dachten wir, aber für den zweiten Tag mussten wir doch noch einiges mehr beachten. Da Nordeney, unser nächstes Ziel, nur bei Hochwasser +/- zwei Stunden durch das berüchtigte “ Dovetief“, das so mancher Yacht schon zum Verhängnis wurde, anlaufbar war, spielte das Timing noch eine grössere Rolle. Hinzu kam, dass die Marinaplätze für unseren Tiefgang rar waren. Aber Jens hatte gute Beziehungen zum Hafenmeister, da hier sein Heimathafen lag. Aber alles ging perfekt auf, der Wind war heute keine grosse Herausforderung und die 48 Meilen lagen um vier Uhr im Kielwasser. Für einen Ausflug mit dem Velo zur Inselerkundigung waren wir zu müde. Das konzentirete Segeln – auch wenn es wenig Wind hatte – verlangte seinen Tribut.
„Man muss in diesem Segelgebiet immer einen Plan B bereit haben“, war ein weiterer Tipp von Jens. Und darauf mussten wir dann auch zurückgreifen. Obwohl wir zeitig zwei Stunden nach Hochwasser in Nordeney bei besten Windbedingungen um 04.30 Uhr („schlafen kannst im Winter“, meinte Jens) ablegten und die lediglich vier Meter tiefe Durchfahrt problemlos passierten, mussten wir unsere Pläne anpassen. Erstens wäre es schade gewesen, bei diesen guten Windbedingungen schon nach 20 sm in Borkum einzulaufen und zweitens waren für Freitag, unserem geplanten Ankunftstag in Den Helder, Starkwind und Regen angesagt. Damit stand fest: Wir segeln weiter, aber es musste Vlieland sein, da alle Inseln davor (Schiermonnikoog, Terschelling und Ameland) mit unserer Yacht nicht anlaufbar waren. Das hiess: Es lagen nochmals 65 sm vor uns! Na ja, bei diesen Windbedingungen schien das kein Problem zu sein. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben: Zuerst schlief der Wind ein und dann stimmte das Timing zum Einlaufen im Hafen von Vlieland nur noch bedingt. „Es sollte eigentlich möglich sein bis ungefähr 19 Uhr, dann haben wir noch 60 cm Tide,“ meinte Jens. Damit blieben aber nur noch 20 cm Reserve für die Hafeneinfahrt. Wie heisst doch das Sprichwort: „Immer eine Handbreite Wasser unter dem Kiel“. Um 19.15 Uhr fuhren wir auf die Hafeneinfahrt zu, hatten aber angesichts der vollen Belegung und der schmalen Einfahrt echte Zweifel, ob das gutgehen würde. Wenden lag nicht drin und retour raus beim Seitenwind war uns zu riskant. Also wieder Plan B: Ankern vor dem Hafen, was sich schlussendlich als richtige Entscheidung herausstellte, da es wider Erwarten eine windlose Nacht wurde und wir nur vom Ankeralarm um fünf Uhr geweckt wurden, als die kippende Tide die Sarabella umdrehte. Was solls, die Sonne kam eben hoch und tauchte das Watt mit dem Morgendunst in ein leicht gespenstiges Licht.
Vlieland zu besuchen, am Strand der Düne nachzulaufen, das nette kleine urige Dörflein zu besuchen, lag nun leider nicht mehr drin, denn es war wieder mal Niedrigwasser und erst am Nachmittag nach Den Helder zu segeln, schien uns zu unsicher. Wie recht wir doch hatten! Wohl konnten wir um acht Uhr mit dem Strom entlang der Insel segeln, doch schon mittig Texel, der letzten westfriesischen Insel, sprang der Wind um und wurde so böig, dass wir ziemlich rassig das zweite Reff im Gross einziehen mussten. Eine Viertelstunde später blieb er fast ganz weg und dann setzte auch noch der Flutstrom mit zwei Knoten gegen uns ein. Da hatte Jens eine gute Idee: Es gab eine Abkürzung durch das „Mohlengatt“ (s. Karte), das uns drei Stunden Fahrt ersparte. Gemäss Karte sollte es tief genug sein, nur waren wir langsam vorsichtig geworden, nachdem Navionics ein paar Mal bis zu zwei Meter daneben gelegen hatte. Aber diesmal stimmten die Tiefenangaben und nach einer Stunde konnte ich dem Hafenmeister unsere Ankunft ankündigen. „Well done“, meinte er, als wir am Tankstellensteg anlegten und er uns nachher in einen super guten Platz längsseits einwies.
Well done, sagten wir uns am Freitag auch, als wir am Morgen noch gemütlich mit den Mietvelos durch den Ort tingelten, um Einkäufe zu tätigten und das weitläufige Maritime Museum in Augenschein zu nehmen. Am Nachmittag gab es nämlich Gewitterböen und Regenschauer, die bis zum Abend zu einen Sturm ausarteten. Das wäre keine schöne Ankunft gewesen!
Am Dienstag werden wir mit Sarah und Chregu die „Staande Mastroute“ bis Amsterdam beginnen.
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