Bretonisches Segeln Teil 2

15. – 29.08.2021

Nach der einmonatigen Sommerpause wollten wir nun den zweiten Teil unserer Reise von Brest bis Lagos unter den Kiel nehmen. Der erste Törn, auf dem uns Klaus und später Edi bis nach Bilbao begleiteten, entwickelte sich sowohl wetter- als auch temperaturmässig zum Besten. Unglaublich was wir in diesen vierzehn Tagen an interessanten Hafenorte und Inseln kennen gelernt haben. Dabei war La Rochelle sicherlich ein Meilenstein.


Für den Anfang wollten wir kleine Brötchen backen und Klaus sich zuerst mal ans Schiff gewöhnen lassen. Auf der anderen Seite kam uns der kurze Schlag von knapp 10 Meilen bis Camaret kulturell entgegen: „A place to see“, hiess es in der Werbung und es gab wirklich einiges zu sehen. Da war zum Beispiel – nach dem problemlosen Anlegen in der gut geschützten Marina – der morbide Schiffsfriedhof von alten Fischertrawlern, die wahrscheinlich an den zahlreichen Klippen aufgelaufen sind.

Der Schiffsfriedhof von Camaret

Aber auch der Rest der Insel war sehenswert, wir mussten die Höhepunkte allerdings in drei Stunden erwandern. Auf einem schönen Küstenpfad erreichten wir die Atlantikseite mit einer riesigen idyllischen Badebucht, dann die Spitze der Insel, wo die Schiffstragödien der Atlantikschlacht 1943 mit symbolträchtigen Ankern dieser Kriegschiffe dokumentiert ist. Was für ein Irrsinn: Hier wurden 5155 Handelsschiffe und 738 deutsche U-Boote versenkt. 75’000 Matrosen verloren ihr Leben!

Die Anker der versenkten Kriegsschiffe von WW2
… und die sensationelle Aussicht.

Der gefürchtete „Raz de Sein“, dieses Mal zahm

Gemäss dem Reed’s Almanach mussten wir heute das gefürchtete Cap Finistère mit der „Raz de Sein“ passieren. Doch wie beim Chenal du Four vor Brest hatten wir auch dieses Mal Glück oder eben gut geplant: Drei Knoten Strom mit uns und eine gnädige Backstagsbrise. Es hätte aber auch so aussehen können: (>Bild). Dabei herrschte richtiges Bretonenwetter: bewölkt-sonnig-regnerisch-böig: Wir setzten den Reacher, rollten ihn wieder ein, motorten, rollten den Reacher wieder aus und segelten dank Strom rasant mit 10 kn Speed Richtung Audierne. Hier legten wir uns an eine Boje und verbrachten eine ruhige Nacht, , nachdem wir vergeblich versucht hatten, zu ankern. Der Grund war gras-überwachsen; damit versagt unser Delta-Anker oft.

Der Weg nach Concarneau – dem einstmalig grössten Fischerort der Küste – wäre langweilig gewesen, wenn uns nicht eine zahlreiche Schar von Delphinen besucht hätte. Regi gelang es, sie mit dem I-Phone (Video) einzufangen; ein einmaliges Erlebnis! Und wieder war das Wetter trüb, bewölkt und wir konnten uns gut die manchmal missmutige Stimmung des berühmten bretonischen, strafversetzten Roman-Kommisars Dupin vorstellen, wie er in seinen Krimifällen von Jean Luc Bannalec beschrieben wird. (Link). Kultstatus hat das Café Amiral, wo Dupin jeweils seine unzähligen Espresso hinunterstürzte. Unsere Laune besserte sich aber am nächsten Morgen schlagartig, als wir das Fort und diese „ville close“, die verborgene Stadt im Fort besuchten. Ebenso sehenswert, war die Fischhalle, die Ihrem Namen alle Ehre machte.

Café Amiral von Kommisar Dupin
F(r)ischer geht’s nicht
Der Eingang zum Fort
Die Ville close des Fort
Die bekannte Fischhalle
Der alte Fischerhafen mit Werft

Muss man erwähnen, dass es bei der Abfahrt regnete? Es sollte den ganzen Tag trüb blieben, nur der Wind liess sich nicht lumpen, was für uns das Entscheidende war, so dass wir nach einem kurzen Holeschlag aus der Bucht von Concarneau schnurstracks die 33 Meilen nach Lorient in vier Stunden schafften; zwar nass aber befriedigt. Es sollte am Abend noch sonnig werden, was uns noch eine kleine Velotour entlang der Küste bis zum Ferienort Ploemeur ermöglichte.

Nass aber zufrieden – schliesslich hat es schönen Wind!
Der Hafen von Lorient/Marina Kernevele

Die 25 Seemeilen bis zur Insel Belle Ile waren zwar langweilig, dafür genossen wir zum ersten Mal Sonne – ohne Thermounterwäsche! Das Anlegen an den Hafenbojen mit Bug- und Heckleinen klappte gut, dank der fixen Marinacrew. Wir liessen uns von ihnen auf die andere Hafenseite pilotieren, strolchten im Hafen „Le Palais“ herum und besuchten die Zitadelle des berühmten Monsieur Vauban, der als genialer Festungsarchitekt gegolten hatte. Claude Monet malte hier vor 130 Jahren über dreissig Bilder der Côte sauvage (Wilde Küste) und die Starschauspielerin des beginnenden 20. Jahrhunderts Sarah Bernhard fand hier ihren Ort zum Abschalten. Alles „très belle“! (>mehr)

Klaus geniesst den ersten sonnigen Tag
An der Boje im Hafen Le Palais auf Belle Ille
Das erste Glacé der Saison!

Zu früh gefreut – es regnete heute nur einmal – dafür den ganzen Tag. Zum Glück hatte es ab der zweiten Hälfte der Strecke (32 Meilen) genug Wind, so dass wir toll mit Reacher und zwei Knoten Stromunterstützung auf gute neun Knoten Boatspeed kamen und schon um zwei Uhr (mit Hochwasser!) in der Marina Pornichet bei St. Nazaire anlegen konnten. Die Annäherung mit den vielen Hochhäusern von Pornichet/La Baule liess aber nichts Gutes vermuten. Doch wir sollten uns täuschen: Sobald man in die zweite Reihe geht, so wie bei unserer Taxifahrt zum Abholen des Autos, erkannte man, dass hier tolle Ferienhäuser (notabene zu siebzig Prozent im Besitz der ungeliebten Pariser, die die Preise hochtreiben), gut versteckt in grosszügigen Piniengärten, stehen. Mit unserem Mietauto fuhren wir nach Guérande, um die sehenswerte mittelalterliche Stadt – leider ein bisschen gar touristisch – und die berühmten Salzfelder zu besuchen.

Die mittelalterliche Stadt von Guérande

Die berühmten Salzfelder der Halbinsel

Die 32 Seemeilen bis zur Insel d’Yeu waren ein richtiges Sonntagfährtchen bei 12-15 Knoten (3-4 Beaufort) Westwind. erneut konnten wir den Sonnenschein geniessen. Aus einer zweistündigen morgendlichen Velotour auf dieser Atlantikinsel – Auslaufen war erst um 14 Uhr möglich – wurde eine ganztägige Tour mit so vielen Naturschönheiten und einem gemütlichen Lunch im besten Restaurant der Insel, dass wir die Abfahrt nach La Rochelle auf Dienstag verschoben.
Am geschichtsträchtigen Pointe de But zum Beispiel sind etliche Dreimaster des 19. Jahrhunderts mit Mann und Maus im Nebel orientierungslos untergegangen. Ein Dampfschiff, das 1875 in Panik von der holländischen Crew verlassen worden war, hatte sogar einen lebendigen Tiger an Bord, der für einen Zoo bestimmt war! 1918 strandete der US Transporter „Tenadores“ mit hunderten italienischen Kriegsveteranen an Bord. (>Bild) Absolut Idyllisch sind die Badebuchten, sowie die vielen in den Pinien versteckten Urlaubshäuser, vor denen unglaublich oft ein uralter Renault 4 steht. Dies Insel musste die grösste R4-Dichte von ganz Frankreich haben!

Was für ein schönes Sonntagsfährtchen!
Ile d’Yeu, 20 km vom Festland entfernt und schönste Badebuchten
Hier stehen idyllische Ferienhäuschen mit jeweils einem uralten Renault 4 im Garten.

Und wieder war uns das Wind- und Wetterglück hold: Die 72 Meilen nach La Rochelle schafften wir, ohne ein einzige Wende oder Halse fahren zu müssen, in zehn Stunden. Das Timing war perfekt, um 19 Uhr konnten wir durch die Schleuse beim Vieux Port in das Bassin des Challutiers einfahren. Damit hatten wir sicherlich einen Meilenstein unser Reise erreicht; La Rochelle ist das Mekka der Segelwelt, hier liegen allein 5000 Boote in den drei Marinas. Die Stadt selber mit seinen zwei grossen Türmen am Eingang des Vieux Port und die vielen Gassen sind natürlich Ein „Must“, das wir erkunden wollten. Die ereignisreiche Geschichte über Seeräuber, Belagerungen und Reichtümer kann man an jeder Ecke feststellen, was vor allem damit zu tun hat, dass sie im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört worden war. Das wunderschöne Ratshaus (Hôtel de Ville) beispielsweise ist das älteste in ganz Frankreich. Es war seit dem 13. Jahrhundert ununterbrochen in Betrieb und wäre 2013 fast einem Totalbrand zum Opfer gefallen.

Einfahrt in den Vieux Port, ins Bassin des Chalutiers.
Einer der zwei Türme des Vieux Port
Wir haben illustre Nachbarn. Dahinter gleich ein das russische Tallship Standart
Das Hôtel de Ville (Ratshaus). Das älteste in Frankreich und seit dem 13. Jahrhundert ununterbrochen in Betrieb!

Nach einem Zwischenstopp in der Marina Port Medoc, die am Eingang des Gironde Deltas nach Bordeaux liegt, lag nun unser 150 Seemeilen lange Nachtschlag vor uns. Wir studierten genau die Windprognosen, sprachen unsere Wachen für die Nacht ab und erklärten Edi und Klaus unsere Sicherheitsanliegen (nur mit Schwimmweste und immer mit der eingepikten Lifeline!). Tatsächlich hatte es dann recht viel Seegang und 4-5 Beaufort Wind. (>Video 40 sec.) Im Zweistundenrythmus lösten wir uns paarweise ab, sassen angeleint im Cockpit, überwachten mit das AIS-Signal den Schiffsverkehr, der sehr gering war und überliessen die Steuerarbeit dem Autopilot, der die Sarabella sicher mit sieben bis neun Knoten Fahrt unter Fock und mit zwei Reffs im Grosssegel nach Süden zog. Der aufgehende Mond tauchte das Wasser in eine schwach glitzernde Oberfläche, und schäumte die Bugwelle in einen weissen Wasserberg auf, über den wir erstaunlicherweise immer wieder hinweg kamen. Leider konnten wir nicht direkt segeln, sondern mussten vor dem Wind kreuzen. Aber gegen Morgen drehte der Wind, wie vorher gesehen nach Nordost, sodass wir fast mit Zielkurs auf Bilbao zuhalten konnten. Unsere Navigationstaktik hatte sich ausbezahlt. Nach dem Sonnenaufgang – immer wieder ein schaurig schönes Erlebnis auf dem Meer – mussten wir mangels Wind die letzten Meilen unter Motor zurücklegen. Um 13.30 Uhr legten wir im spanischen Bilbao, genauer im „Porto Viejo“ bei Gexco an. Wir hatten seit gestern Morgen 185 Meilen zurück gelegt.
Damit war unser wunderbarer Bretagnetörn, der natürlich streng gesehen in La Rochelle sein Ende gefunden hatte, zu Ende. Hier beginnt nun der spanische Törnteil, entlang der baskischen Küste bis La Coruna.

Eine gut gelaunte Crew auf dem Weg nach Bilbao

Jedes Mal ein Erlebnis -der Sonnenuntergang auf dem Meer

Törnstrecke: Brest – Camaret – Audierne – Concarneau – Lorient – Belle Ile – PornichetIle d’Yeu – – La Rochelle – Port Medoc – Bilbao, Total: 425 sm

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