Von Lagos bis Gibraltar

08. – 13. Mai 2022 (PDF-Version)

Was für eine Woche! Vier Tage Segeln von Flaute bis Sturm – drei (erzwungene) Hafentage für Sightseeing von Cadiz. Edi begleitete uns auf dieser Etappe, die bis Ibiza reichen wird. Ein Highlight war die Durchfahrt bei Gibraltar – ein Meilenstein auf unserer Überführung nach Griechenland.


Werden uns drei Tage reichen um die Sarabella aus dem Winterschlaf zu holen? Doch, es sollte reichen; die Werft Sopromar in Lagos war das Beste was uns passieren konnte. Es waren doch einige knifflige Garantiearbeiten zu erledigen bis zum Austausch des ganzen Getriebes, das wegen Vibrationen und Undichtigkeiten als Ganzes ersetzt werden musste. Da ich volles Vertrauen in die Werft hatte, verzichteten wir sogar auf eine Testfahrt.
Auch der Segelmacher Antonio – auch ein wahrer Profi – hatte unsere Tücher professionell gewaschen und kontrolliert. Routiniert hatte er in zwei Stunden alle drei Segel – Grosssegel, Fock und zweites Vorsegel – eingerichtet.

Die Segelmacher helfen uns die schweren Segel anzuschlagen.
Unter der Brücke durch und raus aus der Marina Lagos.

Am Freitag dem 9. Mai verliessen wir die Marina um unser erstes Tagesziel, die idyllische Lagune von Culatra bei Faro, das uns empfohlen worden war, anzulaufen. Der Wind war wie aus dem Bilderbuch – Kaiserwetter, wie man als Segler sagt – und nach vierzig Seemeilen und acht wunderbaren Segelstunden wollten wir in diesem Inlet ankern. Es war eine Premiere, letzte Saison hatten wir ausschliesslich in Marinas Halt gemacht. Wir waren dementsprechend gespannt, wie gut sich das Ankergeschirr mit der Markierungsboje bewähren würde. Es wurde ein Geduldspiel: Der Anker fasste erst nach dem vierten Versuch, da er bei dem Grasbewuchs einfach nicht halten wollte. Dafür wurden wir mit einem makellosen Sonnenuntergang belohnt. Einzig die landenden Flugzeuge von Faro trübten die Idylle und mit Baden bei 18 Grad Wassertemperatur wurde es auch nichts.

Sonnenuntergang im Inlet von Culatra (Faro)

Die praktische Marina Mazagon bei Huelva.

Der zweite Segeltag bis nach Huelva war mit 60 Meilen ambitiös. Immerhin waren wir hier in der Algarve immer noch in einem Tidengewässer und ein Strom von zwei bis drei Knoten kann die Tagesplanung arg durcheinander bringen. Doch es lief zu unseren Gunsten: Am Schluss standen 62 Meilen auf der Logge, wovon wir mehr als die Hälfte mit teilweise direktem Raumkurs gesegelt waren. Um 16.30 Uhr nach sieben Segelstunden hatten wir schon in der Marina von Mazagon angelegt. Der Liegepreis war sensationell günstig: 26 Euro. Diese sollte uns bei diesen städtischen statt privaten Marinas noch ein paar Mal passieren. In Lagos hatten wir glatt das Vierfache (100 Euro!) pro Nacht bezahlt.

Es konnte ja nicht mit soviel Windglück weitergehen: Für die ganze Strecke von Huelva bis Cadiz – immerhin 47 Seemeilen – kamen die Segel nicht ein einziges Mal hoch. Dabei hatten wir gehofft, von dem starken Ostwind, der seit Tagen aus der Bucht von Gibraltar strahlte, profitieren zu können. Dass es dann des Guten zuviel war, würden wir in ein paar Tagen erleben. Denn schon in Cadiz mussten wir auf Anraten des Marinero die Sarabella „umparkieren“ um sie an einem besser geschützten Hafenplatz zu vertäuen. Sein Tipp war absolut korrekt gewesen; wir mussten unser Boot sogar noch mit zusätzlichen Leinen sichern, damit es nicht auf den Steg gedrückt wurde. Doch wie sollte das weitergehen, wenn es schon im Hafen mit dreissig Knoten bliess? Ein älteres holländisches Ehepaar, das offenbar schon um die ganze Welt gesegelt war und in Gibraltar ihre Yacht stationiert hatte, riet uns auf jeden Fall zu warten, bis der Wind abflauen sollte. Es sollte drei Tage dauern, wobei dies kein Unglück war, da Cadiz – die älteste europäische Hafenstadt – eine willkommene Abwechslung war. Am ersten Tag schafften wir uns mit einer Hop on-hopp off Tour einen Überblick und besichtigten am zweiten Tag die Sightseeing Highlights: Die Kathedrale von Santa Cruz, das Ratshaus, diverse malerische Plätze oder Gassen und auch ein wunderschöner Stadtstrand, der uns das erste Bade der Saison möglich machte.

Das Ratshaus von Cadiz
Die wunderschöne Kathedrale Santa Cruz

Am dritten Tag buchten wir eine Zugsfahrt nach Jerez de la Frontera, der Geburtsstadt des Sherry. Mit 140 km/h raste der moderne Zug in dreiviertel Stunden nach „Cheres“, wie der Ort ausgesprochen wird. Es braucht ein wenig Sprachphantasie um das Wort Sherry heraus zu hören, womit erklärt ist, weshalb der Frauenlikör, der bei den Engländerinnen so beliebt ist, nicht aus England sondern von hier stammt. Dass sie ihre kolonialen Gelüste vor zweihundert Jahren bis hierher austreckten, erklärt sich schnell, wenn man weiss, dass der berühmte Admiral Nelson fast die gesamte spanische Kriegsflotte 1805 vor dem nahegelegenen Capo Trafalgar versenkt hatte. In zwei Tagen werden wir ebendieses mit gespaltenen Gefühlen umrunden! A propos Frauen: an jeder Ecke von Jerez begrüssten uns fröhliche Flamencofrauen, bis wir herausfanden, dass ausgerechnet heute der Frauentag des „Feria de Caballo“ (Pferdefest) stattfand.

Jerez: die maurische Festung Alcazar aus dem 11. Jahrhundert
Baron Gonzales: Der Erfinder des Sherry
Die herausgeputzten Frauen von Jerez

Nach drei Tagen schien uns bei genauem Studium der Windprognosen der Tag gekommen, um Gibraltar, das Tor zum Mittelmeer in Angriff zu nehmen. Hätten wir gewusst, was uns bevorstand, wären uns vielleicht Zweifel aufgekommen, ob wir das tatsächlich schaffen würden. Sönke Roever, der bekannte Segelautor, beschreibt es so: „Gibraltar ist einer dieser Orte, an denen man gewesen sein sollte – ein Eintrag, der sich gut im Logbuch liest.“ Schon die erste Etappe bis zum 35 Meilen entfernten Barbate sollte es in sich haben: Während wir anfangs noch mit „gemütlichen“ 17 Knoten aufkreuzten, nahm der Wind später stetig zu. Und plötzlich war es mit der Gemütlichkeit an diesem geschichtsträchtigen Capo Trafalgar vorbei. Hohe Wellen schlugen an die Spraywood, die Fock musste zusätzlich gerefft werden und ab und zu schlug die Sarabella mit dem Bug so hart auf den Wellen auf, dass uns Angst und Bange wurde. Nach zwei Stunden war der Spuk vorbei und wir konnten es kaum glauben, dass wir bei Flaute in der Marina von Barbate anlegen konnten.

Die Windprognose für die Meerenge von Gibraltar sieht anstrengend aus.
Wir stampfen uns den Weg durch die Wellen nach Barbate frei.

Werden wir heute für die letzte Etappe nach Gibraltar nochmals das Gleiche erleben? Windfinder und andere Apps sagten 20-24 Knoten Wind voraus, was durchaus angemessen war. Schliesslich hatten wir gestern dreissig und mehr erlebt, respektive überlebt. Und wieder einmal lagen diese tollen Prognostiker daneben. Schon nach sieben Meilen war es kaum noch möglich mit gerefftem Gross und Fock gegenan zu segeln, ohne vernünftigen Weg Richtung Ziel zu machen. Entscheidend war eben auch das Timing um mit und nicht gegen die Tidenströmung durch die Meerenge zu kommen. Deshalb entschieden wir uns, den Motor zu Hilfe zu nehmen um mit Unterstützung des Grosssegels höher am Wind segeln zu können. Die Taktik ging auf: Bei Tidenstillstand und beachtlichen 35 Knoten Wind passierten wir am Freitag 13. Mai (wir sind nicht abergläubisch!) um 13.15 Uhr den Südpunkt von Europa bei Tarifa und tauchten ins Mittelmeer ein. Wow, wir hatten einen grossen Meilenstein unseres zweijährigen Überführungsprojekts geschafft!

Im Zickzackkurs am Rande der Grossschiffahrtsstrasse durch die Meerenge von Gibraltar.
Der südlichste Punkt von Europa: „Punta Maroki
Nach geschlagener Schlacht und 260 harten Meilen:
Angekommen in Gibraltar.

Nach 46 harten Meilen legten wir nun in der Alcadeisa Marina von Gibraltar an. Damit war unsere erste Segelwoche der Saison mit zwar anstrengenden Strecken, glücklich zu Ende gegangen. Für Morgen ist ein Hafentag angesagt. Der Affenfelsen ist ein Muss, schliesslich kommt man nur einmal hierhin! Wir hatten in dieser Woche rund 260 Meilen geschafft, davon ca. 130 unter Segel.

Nachtrag: Im Hafen von Gibraltar erführen wir, dass ein paar Tage vor uns zwei Boote zwischen Barbate und Tarifa (unsere Strecke) von Orcas angegriffen worden waren. Die Attacke dauert mehr als eine Stunde und zertrümmerte das Ruder der Yachten. Glück gehabt! (>Video 4 min.)

Törnstrecke: Lagos – Faro – Huelva – Cadiz – Barbate – Gibraltar. Total 260 sm

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